Auszüge aus den noch
vorhandenen Bücherbriefen
1934
Anlage zu
einem Brief:
niedergeschrieben nach dem Krieg 1941:
Korbach 1934
Rudolf Heesen
Schon 1932 hatte ich in
Wahlversammlungen des christl.-Sozialen Volksdienstes (Partei von Pastor
von Bodelschwingh) gegen die volks- und moralzersetzende und
kirchenfeindliche Tendenz der NSDAP gesprochen. Bei Ausbruch des
Kirchenkampfes 1933 (Bodelschwingh kontra Müller) verteilte ich in
meiner Buchhandlung tausende von Druckschriften der bekennenden Kirche
(BK - Leiter Pfarrer Niemöller) und versorgte von meinem Büro aus das
ganze Waldecker Land mit kirchlichen Schriften gegen die "Deutschen
Christen" Hitlers (DC) - mit dem Erfolg, dass dieser Gruppe der NSDAP in
Waldeck der entscheidende Erfolg versagt blieb. Ich arrangierte
theologische Aussprachen zwischen BK und DC und machte meine
Buchhandlung zum Brennpunkt der kirchlichen Kämpfe. 1934 hielt ich auf
der evangelischen Woche in Eimelrod einen Vortrag über den 3.
Glaubensartikel und arbeitete gegen die im Frühjahr 1934 in Korbach
stattfindende Tagungswoche der DC mit großem Erfolg durch Gegenanzeigen
in der Korbacher Zeitung. Der damalige Landesleiter der DC - Pfarrer
Keller - wurde zu meinem grimmigen Gegner und hetzte die NSDAP gegen
mich auf. Mein Geschäft stand wiederholt unter dem schweren Boykott der
NSDAP.
Anfang November 1934 bot mir der 16
jährige SA-Mann Heinz Klein eine Postkarte zum Kauf an, die ein Bild
zeigte, auf dem an einem Baum eine Strohpuppe mit jüdischer Maske
aufgehängt war. Auf der Anschriftseite stand der Spruch: "Solange hier
in Waldeck die alten Kastanien blühn, wird man von ihren Zweigen
vielleicht noch manchen ..... (ergänze: Juden) herunterbaumeln sehn. Ich
sagte zu dem Jungen: "Schämst du dich nicht auf solche Weise zum
öffentlichen Morden an Juden aufzufordern? Wo warst du denn, als unser
Nachbar Mosheim (ein Jude) sich im Schütztengraben das eiserne Kreuz
verdiente und sich einen schweren Lungenschuß holte? Da hast du noch in
die Windeln gemacht!" Zeuge dieses Geschehens war Otto Emde, Sturmführer
der SA-Reserve, der am gleichen Abend auf einer Vollversammlung der
NSDAP, SS, SA usw. den Vorfall berichtete. Die Meute heulte und tobte
und gegen 22 1/2 Uhr flogen Steine in von Kappels Seite in meine
Buchhandlung. Da ich das Schicksal des von der SS blingeschlagenen
Löwenstein nicht teilen wollte, reiste ich am folgenden Morgen um 5 1/2
Uhr mit dem 1. Zug zu Freunden nach Bonn und Köln. Inzwischen war mein
Gehilfe - entsprechend unserer vorsorglicher Abmachung - mein Teilhaber
geworden, wehrte den Boykott der NSDAP ab und ich verließ Anfang 1935
Korbach, nachdem mich der überstürzte Verkauf der Buchhandlung 5.400 RM
Verlust gekostet hatte.
1937 gegründet als „Monatsbrief der Buchhandlung
Rudolf Heesen in Leipzig
1937 30.01. Das 3.
Notgebet der Kirche: Luk 11,2 Die Könige der Erde lehnen sich
auf wider den Herrn und seinen Gesalbten.
Guter Vortrag
entnommen aus Allgemeinen Evgl. Kirchzeitung
1937 27.03.
Buchhandlung Rudolf Heesen Leipzig C1 Postfach 201
Bibliographien
1937 24.04.
S1 Angesichts der vielen Beschränkungen, die heute
der christlichen Verkündigung auferlegt sind, kann ein wirkliche
Schulung der Gemeinde ... bewusstes Antichristentum
1937 31.08. Erklärung
Entschuldigung RH für Mahnschreiben
Ausweis zum
Vertrieb christlicher Kalender ...
1938 01.03. ab
1.Mai 1938 Wohnung, Familie + Büro
wieder in Leipzig 1 C1 Postfach 201 Salomostr. 11
1938 28.05.
Wortbetrachtung Lk 24,25 O ihr Toren und trägen Herzens –
Allgemeine Evgl. Luth. Kirchenzeitung
Buchbesprechung:
Abendländische Entscheidung – Arischer Mytos + Christliche Wirklichkeit
Autor: Hermann Sauer J.C. Hinrichs Verlag Leipzig
1938 30.06. Neue Anschrift für Pakete ab Anfang
August: Klostergasse 5 Hof. Da das Haus, in das wir am 1.Mai eingezogen
sind, am Ende Mai in den Besitz einer benachbarten Druckerei überging,
mussten wir gegen Umzugvergütung die bisherige Wohnung räumen.
Buchbesprechung:
Theodor Litt: Der deutsch Geist und das Christentum
Litts Schrift
ist in ihrer Klarheit und Zielsicherheit unerreicht.
Die
Völkisch–biologische Geschichtsschau hat hier, besonders was die
Verstöße gegen das Christentum anlangt, ihre würdigste und zugleich
ernsteste Kritik und positive Wegweisung erhalten.
Deutsche
allgemeine Zeitung 26.5.38
1938 30.11.
Gottes Güte schenkte uns heute unser sechste Kind, den fünften Jungen
(Günther) Rudolf Heesen und Frau Hildegard geb. von Frau Treskow Leipzig
am 31.Oktober 1938
1939 28.2.
Anfang November (1938) kehrte
mein bewährter Mitarbeiter Walter Thibault aus über
zweijährigem Militärdienst zurück, sodass ich bis dahin ohne Hilfe war.
Diese ungehäuere Arbeitslast
führte dazu, dass ich schon im Hebst in steigendem Maße von
Gallenkoliken heimgesucht wurde, die schließlich so arg
wurden und im Januar gänzlich zusammenbrach. Z.Zt. befinde ich mich zur
Ausheilung und Erholung in einem Sanatorium Kassel-Wilhelmshöhe
Sanatorium Dr. Rohrbach
1939 31.3.
Eine besondere
Bitte: Trotz wiederholter Inserate und Bemühungen des Arbeitsamtes ist
es nicht gelungen für unseren Haushalt ein Hilfe zu finden, sodass meine
Frau den großen Haushalt mit 6 kleinen Kindern allein versehen muss.
Sollte unter meinen Kunden jemand eine geeignete Hilfe wissen, wir
suchen entweder eine ältere Stütze, ein Pflichtjahrmädchen, ein
Haustochter oder eine ältere Dame, alleinstehend, die sich auch um die
Erziehung der Kinder kümmern kann. Vergütung außer den
Sachentschädigungen RM 20 bis RM 60.
1939 26.8.
Zum 1.10.
verlässt uns unsere Haustochter.
Nochmals bitte
um Hilfe für meine Frau z.B. auch Pflichtjahrmädchen.
Allgemeine
Lage des Evangelischen Buchhandels:
Von der
Anordnung Nr. 133 der Reichsschriftentumkammer vom 31.3.1939 ist auch
der Evangelische Buchhandel betroffen. Ab April 1940 dürfen keine
Vereinsbuchhändler mehr bestehen und dürfen Evgl. Bücher nur noch von
solchen Firmen betrieben und verlegt werden, die sich öffentlich als
„Evangelisch“ bezeichnen.
Eine Idee, wie
man neue Kanäle der Verbreitung christlicher Literatur zu
bewerkstelligen wäre z.B. Aufruf zur Arbeitsgemeinschaft. - Sehr
schwierige Zeiten!
Ganz
persönlich bin ich der Meinung, dass man zumindest von jetzt an unsere
Kirche bewusst Kreise nur noch ausschließlich evangelische Bücher
verschenken sollte. Wir haben keinerlei Interesse an der „allgemeinen“
Literatur, mag sie psychologisch, historisch, soziologisch oder sonst
wie noch so wertvoll sein - wir dienen der Aufgabe der Kirche m.E. nur,
wenn wir in Zukunft bewusst einsichtig sind bei unserer Auswahl und für
diese nur das Evangelische Buch berücksichtigen (Ausnahme: politische
Bücher)
1939 23.09.
Unser Betrieb
läuft noch und mein Heer Dr. Gesch und ich wollen unseren Dienst noch so
lange tun, wie wir dürfen.
Mein Herr
Thibault ist im Felde und hat inzwischen an der Schlacht im
Weichselgebiet teilgenommen.
Unsere Aufgabe
ist durch den Krieg noch viel härter und dringender geworden. Kunden,
die z.Zt. im Feld stehen, bitte ich um Angabe ihrer Feldpostnummern.
Buchbesprechung:
Predigt im Krieg. Mit Beiträgen aus dem Anfang der Krieges von namhaften
Predigern. Herausgeber: D.Erich Stange
1939 18.10.
Die Sperre des
privaten Güterverkehrs ist in den meisten RBD-Bezirken immer noch nicht
aufgehoben. Feldpostsendungen an Soldaten versende ich von hier aus.
1939 08.11.
Stuttgarter
Bibelteile sind infolge Materialschwierigkeiten z.Zt. nicht lieferbar.
1939 18.11.
Seite 218
Gespräch des hl. Hieronymus mit
dem Kindlein in der Krippe.
"Ach Herr Jesus, wie zitterst Du,
wie hart liegst Du um meiner
Seligkeit willen!
Wie soll ich dies vergelten?"
Da dünkt mich, wie mir das Kindlein
antwortet:
"Nichts begehre ich, lieber
Hieronymus, als singe:
Ehre sei Gott in der Höhe! Laß dir's
nur lieb sein.
Ich will noch dürftiger werden im
Ölgarten und am heiligen Kreuz."
Ich spreche weiter:
"Liebes Jesulein, ich muß dir was
geben,
ich will Dir all mein Geld geben."
Das Kind antwortet:
"Ist doch zuvor Himmel und Erde
mein.
Ich bedarf's nicht, gib's armen
Leuten.
Das will ich annehmen, als sei's mir
selbst widerfahren."
Ich rede weiter:
"Liebes Jesulein, ich will's gern
tun, aber ich muß Dir auch für Deine Person etwas geben oder muß vor
Leid sterben."
Das Kindlein antwortet:
"Lieber Hieronymus, weil Du ja so
kostfrei bist, so will ich Dir
sagen, was Du mir sollst geben:"
"Gib her deine Sünde, dein böses
Gewissen und deine Verdammnis."
Ich spreche:
"Was willst Du damit machen?"
Das Jesuskind sagt:
"Ich will's auf meine Schultern
nehmen, das soll meine Herrschaft und herrliche Tat sein, wie Jesaja vor
Zeiten geredet hat, dass ich Deine Sünde will tragen und wegtragen."
Da fange ich an bitterlich zu weinen
und sage:
"Kindlein, liebes Kindlein, wie hast
Du mir das Herz gerührt!
Ich dachte, Du wolltest was Gutes
haben, so willst Du alles,
was bei mir böse ist, haben.
Nimm hin, was mein ist! Gib mir, was
Dein ist!
So bin ich der Sünde los und des
ewigen Lebens gewiss."
1939 28.11. Seite 219
Morgengebet: Luthers
Morgensegen
Das wallte Gott, Vater, Sohn und
Heiliger Geist. Amen.-
Wir danken Dir, unser himmlischer
Vater,
durch Jesus Christus, Deinen lieben
Sohn,
dass Du uns diese Nacht vor allem
Schaden und Gefahr behütet hast,
und bitten Dich, du wollest uns
diesen Tag auch behüten
vor Schaden und allem Übel,
dass Dir all unser Tun und Leben
gefalle.
Denn wir befehlen uns,
unseren Leib und Seele und Alles in
Deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit uns,
dass der böse Feind keine Macht an
uns finde.
Amen.
Abendgebet Luthers
Abendsegen
Das wallte Gott, Vater, Sohn und
Heiliger Geist. Amen. -
Wir danken Dir, unser himmlischer
Vater,
durch Jesus Christus, Deinen lieben
Sohn,
das Du uns diesen Tag gnädig behütet
hast,
und bitten Dich, Du wollest uns
vergeben alle unsere Sünden,
wo wir unrecht getan haben,
und uns diese Nacht gnädiglich
behüten.
Denn wir befehlen uns, unseren Leib
und Seele
und Alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit uns,
dass der böse Feind keine Macht an
uns finde.
Amen.
Gebet
Sonntag für den Wochentag bestimmte
Gebet
Martin Luther
Ehre sei dem Vater und dem Sohne und
dem Heiligen Geist, Amen.
Wir beten Dich an, himmlischer
Vater,
ohne den nichts gemacht ist, was
gemacht ist,
der Du uns und alle Kreatur
erschaffen hast und noch erhältst,
dass wir Dich loben und Dir danken
in Ewigkeit.
Wir beten Dich an, Herr Jesu
Christ, unser Heiland,
Du ewiges Wort des Vaters,
Du Licht von unerschöpften Lichte,
Du Sonne dieser und der zukünftigen
Welt;
Dass Du uns durch Deine unermeßliche
Liebe
und Dein bitteres Leiden und Sterben
erlöst hast
vom Tode und der Gewalt der Sünde
und des Satans,
und uns durch Deine sieghafte
Auferstehung
Mitbürger hast werden lassen am
ewigen Reich des Vaters. -
Wir beten dich an, Gott, heiliger
Geist,
dass Du uns durch den Glauben an
Jesus Christus
wiedergeboren hast zu einer
lebendigen Hoffnung,
dass Du uns Helfer und Tröster bist.
-
Stärke uns, Herr, den Glauben
und lass das ewige Wort,
den Schatz Deiner heiligen Kirche,
Frucht bringen unter uns und allen
Menschen.
Amen
1940 31.01.
Mein buchhänlerischer Mitarbeiter, Herr Walter
Thibault, der bereits an vorderer Front in Polen stand und dort u.a. an
der Schlacht an der Bzura teilgenommen hat, steht jetzt im Westen. Sein
Fehlen verstärkt die gewaltige Arbeitsleistung, die wir zu vollbringen
hatten.
1940 30.94.
Die
Lieferschwierigkeiten im Buchhandel dauern an.
Nicht
lieferbar ist: „Die Deutschen fürchten Gott“
1940 30.06.
Während des
Krieges erscheinen die Monatsbriefe verkürzt (ohne Besprechungen und
Sonderseiten
Im
Bärenreiterverlag wird ab 22.7.eine Zeitschrift für die evangelischen
Soldaten erscheinen: „Das Werk“ mit Unterstützung der Wehrmacht und der
Kirchenbehörde
1940 31.07.
Unseren Freunden zur Kenntnis
dass uns am 6.7.1940 unser 7.Kind, das zweite
Töchterchen (Ingeborg) geboren wurde.
Die Auflage
christlicher Kalender ist ständig im Steigen.
Die
Verkehrsschwierigkeiten infolge der Kriegsleistungen der Reichsbahn
lassen es geboten erscheinen sofort nach Fertigstellung zum Versand zu
bringen.
Groschenbücherei: Das im Unterricht Gehörte und Gelernte soll den
Konfirmanden durch die dargebotenen Erzählungen als lebendige
Wirklichkeit beispielhaft dargestellt und ins Herz vermittelt werden.
1940 31.08.
Konfirmandenbücher:
Aus dem Wunsch heraus, die Konfirmanden in der verhältnismäßig kurzen
Zeit, in der sie den Unterricht besuchen, auch außerhalb der
Unterrichtsstunden zu führen und ein mit Lebensbildern christlicher
Persönlichkeiten bekannt zu machen und ihnen Glaubenszeugnisse und
-Bekenntnisse nahe zubringen, habe ich vor einigen Jahren meinen
Konfirmanden kleinere Hefte zum Lesen zur Verfügung zu stellen.
Ich glaube man
kann die Bedeutung solchen Konfirmandenlesestoffs gar nicht
unterschätzen, denn die Kinder, die vom Elternhaus her keine Beziehung
mit dem Christentum haben und denen ein Glaubenszeugnis noch nicht
eingetreten ist, spüren aus diesen Berichten etwas von der Kraft solcher
Frömmigkeit.
1940 31.10.
Ich bedaure sehr, dass ich meinen
so guter und liebgewonnen Mitarbeiter, Herr Dr. Gesch,
infolge höherer Gewalt nach 1,5 Jahren verloren habe! Er hat sich
restlos für die aufgaben meiner Buchhandlung eingesetzt. - Die
Personalschwierigkeiten sind ja ungeheuer!
Soldaten-Lesezirkel: Einige meiner einberufen Kunden
baten mich einen Lesezirkel einzurichten, der ihnen und ihren Kameraden
dienen könne und eine praktische Schriftauslegung und Literatur
kirchlicher Prägung enthalte.
1941 Nach dem
Krieg niedergeschrieben
Leipzig 1941
Alle Buchhandlungen mußten jährlich
der Reichsschriftentumkammer (RSK) ihren Umsatz melden. Dadurch auf den
wachsenden Umfang meines Geschäftes aufmerksam geworden, schickte die
RSK mir im Frühjahr 1941 drei Gestapo Beamte auf den Hals. Im ganzen
mußte ich 1941 sechs Gestapo-Untersuchungen über mich ergehen lassen und
der Leipziger Gestapo-Beamte Zetschke sagte mir, dass die RSK mich
vernichten wolle. Ich muß aber der Wahrheit die Ehre geben und sagen,
dass Herr Zetschke mich zu schützen suchte, da ich sieben Kinder hätte.
Die Anlässe waren z.Tl. willkürlich herbeigezogen. Beim letzten
Zwischenfall sagte mir mein Unterhändler in Berlin, dem Hauptsitz der
RSK, dass mir Geschäftsschließung, Inhaftierung in ein KZ und eine
Geldstrafe von 35.000 RM drohten. Daraufhin meldete ich mich beim
Wehrmeldeamt, obwohl ich als untauglich zurückgestellt war und wurde 7
Tage darauf eingezogen. 2 Tage später erschien Herr Zetschke bei meiner
Frau und beglückwünschte sie zu meiner Einberufung und zu der dadurch
notwendig gewordenen Schließung meines Geschäfts, da er mich nicht
länger mehr halten könne. Damit hatte die NSDAP nun zum 2. Male meine
berufliche Existenz zerstört.
Nachzutragen ist hier, dass ich
1937-1941 ohne Wissen der RSK und der Reichspressekammer eine
theologisch - literarische Monatsschrift "schwarz" herausgab, die
zuletzt in einer Auflage von 4.500 Stück versandt wurde.
1941 20.01.
Meine Frau, die nach 9-monatiger
schwerer Krankheit und trotz monatlangen Aufenthalt in Krankenhaus,
Sanatorium und Erholungsorten ihre alte Frische infolge zu starker
Beanspruchung durch unseren großen Haushalt (7
Kinder) nicht wiederzugewinnen vermag, such ich eine Hilfe.
1941 28.02.
Unser Schicksal liegt in
Gottes Hand
1943 Nach dem
Krieg niedergeschrieben
Leipzig 1943
Infolge des Hitler-Krieges
verbrannten nach einem englischen Luftangriff auf Leipzig am 4.12.1943
unsere Wohnung, mein Geschäft und alle meine wissenschaftlichen
Unterlagen, die der Kriegsschadenbehörde Leipzig vorliegen, 83.000 RM.
Der Verlust auf dem Transportwege nach Korbach beträgt ebenfalls nach
amtlichen Schätzungen 14.500 RM. Auf Sparbüchern im jetzt von Russland
besetzten Teil Deutschlands habe ich 58.000 RM liegen, sodass unser
weiterer, dritter Schaden durch das Dritte Reich, 155.500 RM beträgt.
1944 26.11. Ein erhalten
gebliebener Brief Rudolf Heesen an seinen ältesten Sohn Hans-Georg.
Über Kampf und
Heldentum
Meinem Sohne Hans-Georg zum 14. Lebensjahr!
26.11.1944
Du hörst es täglich, dass wir in
einer heldischen Zeit leben, dass Kampf unsere Aufgabe ist, dass wir um
den Sieg, um unser Leben kämpfen, dass in unseren Tagen jeder Deutsche
ein Held sei.
Held, Krieg, Waffen, Ruhm, Ehre,
Sieg, Stärke, Macht - alle diese Begriffe sind Attribute des Kampfes
eines Volkes gegen das andere, gegen seinen Feind. Es ist dies die
älteste und primitivste Form des Streites. Auf dem Schlachtfeld erweisen
sich die Kämpfer als Helden, Mitkämpfer oder Drückeberger.
Je tapferere ein Volk und seine
Krieger waren, um so schwieriger war es für den Einzelnen, als Held eine
Namen zu gewinnen. Denn der Abstand zur Masse ist es, was den Helden
kennzeichnet. Er ist mehr, er kann mehr und er leistet mehr als alle
anderen. Er ist tapferer, mutiger, zäher, härter, trotziger, stärker,
selbständiger, unabhängiger, unerschrockener, rücksichtsloser,
zielbewußter, klüger, weitblickender, aber auch selbstloser. Denn es
gehört nun einmal zum Helden, dass er aus der Masse hervorragt oder gar
im Gegensatz zu ihr steht.
Die Atmosphäre eines heldischen
Zeitalters ist so gesättigt mit heldischen Gedanken, Forderungen und
Idealen, dass sich auf Schritt und Tritt Helden herauskristallisieren.
Und es gibt kein höheres Lob für ein Volk als das Urteil der Geschichte,
dass es diese oder jene gefahrvolle Periode seines Lebens als "ein Held"
gemeistert und überwunden habe, oder dass sein Heer als "ein Held"
gekämpft und gesiegt habe oder auch - unterlegen sei. Denn nur die
heldische Tapferkeit rettet auch über den Untergang hinaus, wie Leonidas
an den Termopylen heute noch beweist.
Die Helden eines Volkes sind die
höchste Verkörperung des heldischen Ideals ihrere Zeit. Ihr starker
Wille wird genährt und getragen von der Gemeinschaft ihres Volkes. Sie
werden vorangerissen und reißen selbst voran - in lebendiger
Wechselwirkung, wie das Schwungrad einer Maschine. Dieses Heldentum ist
Exponent der Masse, ist Führung.
Je größer ein Volk ist, um so mehr
gliedert es sich in Untergruppen und kleinere Einheiten. Jede Einheit
braucht ihren Helden, ihren Führer, der die besten Kräfte seiner Einheit
in sich vereinigt, Vorbild und Ansporn ist. Im Volksganzen ringen diese
heldischen Einheisführer um den ersten Platz, um den Lorbeer der
Volksführung, um die Vollendung und Krönung ihres Heldentums.
So schwer dieses Ringen um
anerkanntes Heldentum auch sein mag, schwieriger ist es, sich als Held
zu beweisen, wenn ein Kämpfer nicht getragen wird von dem einheitlichen
Willen einer Gemeinschaft. Jeder findet in seinem Kameraden seinen
"Treiber", seine Stütze, seinen Korrektoren, dieser aber wird gehemmt
durch alle jene dunklen Mächte, die im Menschenherzen schlummern und
gefährlich werden, wenn sie als organisierter Massengeist oder
"Etappengeist" um Macht und Einfluß ringen, den Zeitgeist oder den Geist
einer Einheit prägen und alle Gegnerschaft ihrer selbstischen Praxis dem
Gespött der verführten und verblendeten Masse preisgeben.
Gewiß sind Alexander, Caesar, Tilli,
Ziten, Gneisenau, Moltke Helden und Namen höchsten Ruhms. Doch stehen
die Heroen des Geistes über ihnen: Sokrates, Christus, die Ideen
gestaltenden deutschen Kaiser des Mittelalters, Luther, Kopernikus,
Stein, Robert Koch, Bodelschwingh. Denn diese erfüllten die von jenen
geschaffenen Grenzen mit dem göttlichen Geiste ihrer Berufung und
leuchten bis in unsere Tage
stahlenkräftig und neues Leben
zeugend herüber, obwohl die Grenzsteine als die Wahrzeichen des Wirkens
Jener längst zerfallen sind.
Völker sind Lebewesen und damit den
biologischen Gesetzen dieser Organismen unterworfen. Sie sind notwendig,
denn sonst fände der Geist keinen Ort seines Wirkens. Sie sind
historisch betrachtet sogar älter als der Geist, der sie erst ins
Selbstbewußtsein rief und fordert daher auch die erste Stelle im Dienst
ihrer Glieder. Aber Völker gingen zugrunde und heute lebende werden
ihnen folgen. Doch ihr Geist wirkt und bleibt und verkündet durch die
Jahrtausende die Wahrheit ihres Nationalgedankens und ihres völkischen
Selbstbewußtseins, d.h. ihrer vom Schöpfer ihnen auferlegten Aufgaben.
Härter war der Kampf dieser
Geistesmächtigen als der der großen Soldaten. Feinde ringsum war die
Erkenntnis jedes ihrer Lebenstage. Gegen Bosheit, Unverstand, Hohn,
Verleumdung und Verfolgung hatten sie zeitlebens zu kämpfen. Mit ihrer
nächsten Umgebung, mit Freunden, Nachbarn, Stadt- und Volksgenossen, oft
mit der eigenen Familie standen sie auf Kriegsfuß. Sie hatten kein Heer
zur Verfügung, das ihrer Idee zum Siege verhalf und in dem ihr
Schlachtruf zündete. Sie wurden erdrückt von ihrer Einsamkeit. Sie
standen auf lichter Höhe. Aber die, denen ihre Verkündigung galt,
glaubten, ihre Dämmerung sei dem Himmelslichte der Wahrheit näher, und
wehrten sich mit aller Gewalt gegen Erkenntnis und letzte Wirklichkeit.
Fürwahr, die ganze Welt stand auf gegen diese Gestalter und Erneuerer
des Geisteslebens ganzer Jahrhunderte und Jahrtausende.
Ein qualvoller Kampf war es gegen
die Machthaber und Nutznießer der alten Systeme, gegen die Trägheit der
vegetierenden und stumpfen Massen, gegen die Fanatiker eines
Wahrheitquentchens, die den Neuerungen wehren wollten, dem Schleier von
Sais ein neues Stück zu entreißen, gegen die Neider, die in bürgerlicher
Sattheit niemandem einen Ruhm außerhalb ihrer eigenen beschränkten Bahn
gönnten, gegen die Verläumder, deren Lebensfreude in der Aussaat von
Streit und Bosheit besteht, gegen die Verfolger, die angstvoll in allem
Neuen eine todbringende Feindschaft ihrer Machtstellung witterten -
kurz, gegen alle menschlichen Schwächen, die ein "gewogen und zu leicht
befunden" aus dem Munde des göttlichen Herrn der Geschichte zu fürchten
hatten.
Aus einigen Lebensbildern dieser
Geisteshelden ist das unerhört herosche ihres Kampfes um die von ihnen
entdeckte Wahrheit allgemein bekannt geworden. Aber jedes Jahr bringt
neue Erkenntnisse, neue Erfindungen, kurz: neue Fetzen vom Mantel der
Wahrheit ans Tageslicht. Tausende und Abertausende mühen sich täglich,
Jahr für Jahr, Jahrhunderte für Jahrhunderte, den großen göttlichen
Geheimnissen der Schöpfung und des Lebens auf die Spur zu kommen, sie
ihren Mitmenschen mitzuteilen und so für alle fruchtbar zu machen. Kunst
und Wissenschaft, Philosophie und Technik, Musik und Dichtung,
Organisatoren und Erzieher - leidenschaftlich setzen sie ihr Lebenswerk
an die Entschleierung des Wesenskerns.
Habe Achtung vor ihren Opfern, vor
ihren Verzweiflungen, vor ihren Einsamkeiten, vor ihrer Größe, ihrem
Wollen und ihrem Idealismus. Verehre jeden, der mit heißem Herzen auch
für jene Grundsätze und ihre allgemeine Verwirklichung eintritt, ohne
die ein geordnetes Staatswesen und eine fruchtbare Gemeinschaft nicht
bestehen kann.
Die Schar dieser Ehrlichen ist
namenlos und weitgespannt, ihr Los tragischer als das des Soldaten, der
sein höchstes Ziel schon erreicht hat, wenn er tapfer kämpfend sein
Leben hingibt für Volk und Vaterland. Der Kämpfer aus und für Idealismus
verliert sein Leben täglich unter tausenden Qualen und Widerständen,
unter Spott und Unverstand. Und doch läßt er nicht locker. Ist er auch
nicht berufen große
Erkenntnisse zu empfangen, so
brauchen doch diese den Wechsler, der das Gold der unwiderruflichen
Wahrheiten in die kleine Münze des Alltags umsetzt und dadurch
unermüdlich tätig ist, die Grundlagen der Gemeinschaft zu festigen, zu
stärken und notfalls neu zu bauen. Diese Idealisten des Alltags sind wie
das Öl, ohne das eine Maschine nicht mehr laufen und arbeiten kann. Und
auch dies haben sie mit Öl gemeinsam: Sie werden von allen Seiten
gepresst und zerschunden, sie werden schwarz und schmierig von allem
Dreck, den sie aufnehmen müssen. Aber das ist ihr selbstloses Opfer.
Ohne ihre demütige Hingabe würde der Schmutz die Räder zerfressen und
die Maschine zu altem, toten Eisen, ausgeschaltet und auf den
Schrotthaufen geworfen werden.
Kein Heeresbericht, kein
Geschichtsbuch, meldet vom Leben und Kämpfen dieser Helden des Alltags.
Sie sind die Stillen im Lande, die Treuen und Pflichtbewußten, die
Fleißigen und Zuverlässigen, die Ehrlichen und Frommen. Dass sie das
sind, erfüllt die Helden der Waffe mit Glauben und Zuversicht. Sie sind
das Netz, das unser Volk vor dem Auseinanderfallen schützt. Kein
eisernes Kreuz ziert ihre Todesanzeigen, aber der Einsatz ihres
täglichen Leben ist der Mörtel zum Bau der Volksgemeinschaft.
Strebe ihnen nach, mein Junge! Nenne
Schwarz nicht Weiß, mache aus einer Gemeinheit keine Heldentat, erhebe
Feigheit nicht zur Klugheit, laß Stumpfsinn nicht zur Gewöhnung werden
und Gewöhnung und Flucht vor Verantwortung nicht zum Gesetz der Ordnung.
Halte Augen und Ohren offen und verschließe auch nicht den Mund, wo
Unsinn oder gar Widersinn das Zepter an sich reißen. Rette den Menschen
vor dem Mechanischen und wisse, dass der Geist immer noch das Wichtigere
und Mächtigere ist und in alle Ewigkeit bleiben wird. Habe den Mut zum
Widerspruch, denn die Wahrheit spottet des Hohnes und setzt sich am
Gewissen des Gemahnten fest. Schiebe nichts auf die lange Bank und
fürchte nicht die Autorität der alten Leier. Fürchte Dich nicht davor,
lästig zu werden, denn nur der stete Tropfen höhlt den Stein. Vor allem
aber halte Deine eigenen Hände rein, denn schmutzig würden sie das Bild
besudeln, das Du den anderen zeigen willst.
Vor allem aber sieh zu, dass Du ein
"totaler Mensch" wirst, dass Denken, Reden und Handeln bei Dir nur aus
einer Quelle stammen, dass Du ein Mann wirst aus einem
Guss. Laß Dir nie das beschämende Scheltwort nachsagen, dass andere nach
Deinen Worten, aber nicht nach Deinen Taten handeln sollen. Dieser Kampf
um die Einheitlichkeit der Persönlichkeit ist der schwerste, den es im
Menschenleben zu bestehen gilt, denn es ist der Kampf gegen uns selbst,
gegen die zerstörenden, auflösenden, verneinenden, gleichgültigen,
treibenlassenden und feigen Tendenzen unseres Herzens. Der alte Blücher
nannte dies Doppelwesen in uns den "Hundsfott", die heutige
Soldatensprache nennt es den "inneren Schweinehund".
Du brauchst Dich nicht zu schämen,
dass solche Gedanken, Regungen und Wünsche in Dir auftauchen und nach
Betätigung und Verwirklichung schreien. "Zwei Seelen, wohnen, ach, in
meiner Brust!" Und Paulus sagt: "Der Geist ist willig, aber das Fleisch
ist schwach". Alle Denker und alle Weisen aus allen Völkern und
Jahrtausenden kennen und kannten diesen Kampf, der im Inneren eines
Menschen tobt.
Es kommt hier nur auf das eine an:
den Versuchungen, die aus unserem Inneren kommen und von schlechten
Freunden oder bösen Gelegenheiten gefördert werden, nicht zu erliegen.
"Principiis obsta!" sagte der Lateiner, d.h. "widerstehe dem Anfang".
Die biblische Schöpfungsgeschichte ist die ethisch unerreicht
wertvollste aller gleichartigen Berichte aller Völker. Sie erzählt, wie
die ersten Menschen der an sich harmlosen Versuchung, die Früchte eines
bestimmten Baumes zu
genießen, nicht widerstanden. Es
heißt dann, das ihnen die Augen aufgingen und sie erkannten, was Gut und
Böse sei. Böse war nun alles, was das ungehorsame Herz, die "Schlange",
ihnen zuraunte. Aber sie hatten nun einmal von der verbotenen Frucht
gekostet und geschmeckt, wie süß sie war. "Sündenfall" nennt man diese
Geschichte, und sie ist bitter ernst. Es ist nicht auszudenken, welchen
Ablauf die Menschheitsgeschichte genommen hätte, wenn unsere Ureltern
hier, in der entscheidenden e r s t e n Versuchung, ihrer göttlichen
Berufung treu geblieben wären.
Einer der glühendsten Vorkämpfer des
Nationalsozialismus, der 1930 in Arnstadt verstorben Sozialrevolutionär,
Dr. Max Maurenbrecher, nennt das Alte Testament das kräftigste und
unübertrefflichste national-religiöse Erziehungsbuch des deutschen
Volkes. Lies in diesem Buch nach, und Du wirst feststellen, dass alle
weiteren in ihm berichteten Sündenfälle nur darin ihre Wurzeln haben,
dass die Menschen den Versuchungen erlagen, statt ihnen zu trotzen. Es
gibt eine Flucht, die nicht schimpflich ist, sondern Tapferkeit
bedeutet, das ist die Flucht vor der Versuchung, vor dem inneren
Schweinehund.
Kein Mensch bleibt bewahrt vor
diesen Versuchungen, die ihn seiner inneren göttlichen Berufung
entfremden und ihn ungehorsam werden lassen wollen. Und es ist gut, wenn
junge Menschen frühzeitig lernen, diesem heimtückichsten aller Feinde,
dem eigenen Herzen, siegreich zu begegnen. Denn ein "Charakter bildet
sich nur in dem Strom der Zeit". Und überwundene Gefahren, denen wir
nicht erlegen sind, stärken das Selbstbewußtsein und das Vertrauen, wie
Dr. Göbbels sagt. Es muß soweit kommen, dass wir in solchen Versuchungen
keine Gefahr mehr sehen, sondern ihm spotten und über ihre Wichtigtuerei
lachen - weil wir hundert Mal im Kampf mit ihr Sieger geblieben sind.
Denn alles Böse ist zugleich feige. Wie Luther so schön sagt: "Tut er
uns doch nichts, das macht, er ist gericht', ein Wörtlein kann ihn
fällen!" Wir lernen den Kern dieser Gefahren kennen und wissen aus
siegreicher Erfahrung, dass man den "alt bösen Feind" nur Teufel, das
Böse nur böse, Schlechtes nur schlecht, Gemeines nur gemein zu nennen
braucht, um dem Versucher die betörende Maske abzureißen und ihn in
seiner ganzen Erbärmlichkeit darzustellen. Diese Wahrhaftigkeit der
Selbsterkennnis und dieser Mut des offenen Widerstandes lohnt Gott mit
dem Siege.
Das Niederringen des zerstörenden
Teiles unseres Wesens ist die Voraussetzung dafür, dasswir auch im Kampf
des Gewissens gegen Lauheit des Geistes gegen Materie, des Reiches gegen
den Volksfeind an den Grenzen uns als Helden bewähren und den Sieg
behalten. Daran denke immer! Erst in einigen Jahren wirst Du eintreten
können in die Schar der Kämpfer, um die innere und äußere Gestaltung und
Sicherheit unseres Staates, aber bis dahin müssen die Grundlagen in
Deiner eigenen Seele geschaffen, gehärtet und bewährt sein:
Wahrhaftigkeit, Treue und Gehorsam. Zu diesem Kampf bist Du heute schon
gerufen. Du weist dies längst. Mache Ernst damit! Und vergiß nicht:
Sich selbst bekämpfen ist der
schwerst Krieg -
sich überwinden, ist der schönste
Sieg! Friedrich Freiherr von
Logan 1604-1655
Dein Vater (Rudolf Heesen)
Rudolf Heesen
Bücherbrief nach dem Krieg
Buchhandlung
für evgl. Theologie und Gemeinde
Evangelischer Bücherbrief
und andere evangelische Stimmen
des
Buchhändlers Rudolf Heesen
gegründet 1937 als Monatsbrief des Buchhändlers
Rudolf Heesen in Leipzig Reichsschriftentumkammer BII 15427
1947 01.09.
Rudolf Heesen zuletzt in Leipzig,
jetzt wieder
in Korbach / Waldeck
Publication
authorzed by Publications
Control Branch, Kassel, Det Information
Control Division OMG for Hesse under number 8
mit
Genehmigung der (amerikanischen) Militärregierung
1947 15.12.
Nr.1 Seite 1-4 Erste tatsächlich erschienene Nummer
Rudolf Heesen -
(Erlebnisbericht an meine 4 Kinder Mai 2018)
Evangelischer
Bücherbrief Nr.1 15. Dezember 1947
des
Buchhändlers Rudolf Heesen
zuletzt in
Leipzig,
jetzt wieder
in 16 Korbach/Waldeck
Publication authorized by
Publications
Control Branch, Kassel, Det.
Information
Control Division OMG for Hesse under
number 8
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Bitte aufbewahren, da diese Listen
mit der Zeit einen Katalog ergeben werden.- Evtl. weitergeben!
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Sehr geehrte Herren! Liebe Freunde!
Meine Buchhandlung ist zwar seit
über einem Jahre seitens der amerikanischen Nachrichtenkontrolle wieder
zugelassen, war aber bis jetzt noch nicht aktionsfähig. Ob sie es von
nun an sein wird, weiß ich noch nicht, denn selbst die Produktion der
Vorkriegszeit würde nicht ausreichen, die geistliche Aushungerung
unserer Gemeinden zu beseitigen, welche seit dem Verbot der Herstellung
evangelischen Schrifttums am 1.7.1940 besteht und eine der Ursachen ist,
weshalb unser Volk sich immer mehr von Nihilismus und Materialismus
umgarnen läßt. Doch liegen so dringende Aufgaben vor, dass ich mich
nicht länger sträuben kann, selbst mit den äußerst geringen
Möglichkeiten, die uns verblieben sind, meinen Dienst an der geistlichen
Versorgung wieder aufzunehmen. Doch möchte ich gleich sagen dürfen, dass
mir die Erfüllung dieser Aufgaben nicht möglich sein wird auf der alten
Grundlage des reinen Geschäftsbetriebes, sondern nur durch eine
Gemeinschaftsleistung, in der ich selbst nichts weiter sein werde als
die Vermittlungsstelle.
Durch die Umsicht meiner Frau konnte
eine Liste meiner Kunden gerettet werden. An die wichtigsten 4500 Namen
von den insgesamt 7000 dieser Liste geht nun dieser Bücherbrief hinaus.
Es ist mir ein großer Schmerz, an viele den Versand nicht mehr vornehmen
zu können, da sie gefallen, ihren Verwundungen erlegen, in den Städten
erstickt oder verbrannt oder in Lagern umgekommen sind. Zu ihnen gehörte
eine Anzahl jüngerer Theologen, deren Kompromißlosigkeit, Bekennermut
und passive Verfolgung sie nach menschlichem Ermessen zu wertvollen und
unersetzlichen Streitern in den uns erwartenden endzeitlichen Kämpfen
hätten werden lassen. Sie waren manchem von uns Überlebenden ein
beschämendes Beispiel für das Widerstreben gegen die Sünde "bis auf's
Blut", und wir wollen uns, durch ihr Vorbild, dem Gott als der Herr der
Geschichte das Siegel seiner Bestätigung aufgedrückt hat, warnen und
belehren lassen, unseren Dienst in Zukunft treuer zu versehen und nur
Gottesfurcht, aber nicht mehr Menschenfurcht zu haben. - Ihnen, deren
Leben SS, Gestapo, KZ und der satanische Krieg ein Ende setzten, leuchte
das ewige Licht. -
Da das Schweigen des Dritten
Reiches zu Ende ist, kann ich über mich selbst berichten: Nachdem
ich bereits seit 1929 publizistisch und später auch rednerisch gegen den
Nationalsozialismus als antichristliche und volkszerstörende Bewegung
aufgetreten war, wurde meine damalige Korbacher Buchhandlung seit dem
Frühjahr 1933 zum Mittelpunkt der kirchlichen Kämpfe, als sogar später
führende Pfarrer der Bekennenden Kirche noch bei den Deutschen Christen
waren. Noch 1934 übernahm ich infolge des Versagens dieser Pfarrer den
Vortrag über den 3. Artikel auf einer Evangelischen Woche und begleitete
eine Gautagung der D.C. mit auffälligen Anzeigen für die B.K. Die in der
Person ihres Kreisleiters verbundenen NSDAP und DC erließen immer
wiederholte Boykotterklärungen gegen mich; z.T. durch SS Boykottposten
verstärkt. Nachdem die Waldecker SS bis dahin durch ihre Gewalt
überfälle Aerzte und Totengräber beschäftigt und Kranken- und
Irrenhäuser aufgefüllt hatte, richtete sich in der Adventszeit 1934 die
lang erwartete direkte Gewaltandrohung auch gegen mich. Nach einer
stürmischen Versammlung der NSDAP, SA, SS, usw. mit Zurufen: Schlagt ihn
tot! Werft ihm die Fenster ein! usw. flogen tatsächlich Steine in meine
Buchhandlung, so dass ich noch in derselben Nacht flüchtete. Meine Lage
war unhaltbar geworden. Mein Umsatz hatte sich von über 40000 RM in 1931
verringert auf 22 000 RM in 1934, meine Substanz war aufgezehrt. Ich
mußte mein Geschäft mit den auf die Hälfte verringerten Beständen
verkaufen und verlor dabei die Hälfte meines damaligen Betriebskapitals,
etwa 6000 RM.
In Erwartung dieses Ausgangs hatte
ich bereits 1934 meine Bundesbrüder vom Th. V. in Hannover und Hessen
besucht und sie um aktive Hilfe gebeten, sobald die Verfolgung einsetzen
würde. Gleichzeitig hatte ich eine Reise- und Versandbuchhandlung unter
meinem eigenen Namen begründet, die ich Anfang 1935 nach Leipzig
verlegte. Über 2 Jahre haben meine Familie und ich gehungert, täglich
mit ängstlicher Spannung wartend, ob auf dem Postscheckkonto genügend
Eingänge waren, um für diesen Tag Brot und Milch für unsere damals 4
Kinder kaufen zu können. So hatten wir z.B. für 1935 nach Abzug der
Miete einen Reingewinn von nur ca. 150 RM für das ganze Jahr, für 1936
einen solchen von ca. 1300 RM!! Wenn damals der Verlag Vändenhoeck und
Ruprecht [siehe dazu das Engeagement von
Günther Ruprecht für die bekennende Kirche] in Göttingen mir nicht nur mit unbegrenztem Kredit, sondern
auch mit Tausenden RM baren Geldes geholfen hätte, hätten. wir iese
Jahre wohl nicht überstehen können. Mit Kredit und Rabatt halfen dann
noch die Verlage Bertelsmann, Bärenreiter (Stauda), Konstanz, Kranz,
Wichern und einige kleinere Verlage, denen ich ihre damals
uneigennützige Hilfe durch einen besonders erfolgreichen Einsatz für
ihre Produktion vergalt. Gleichzeitig setzte prompt die Hilfe der von
mir 1934 besuchten Bundesbrüder ein, denen ich für ihr mir als einem
damals noch völlig Unbekanntem geschenkte Vertrauen heute von ganzem
Herzen danken möchte. Sie haben nicht nur ihren eigenen Bedarf bei mir
gedeckt, sondern auch auf ihren Pastoralkonferenzen für mich geworben.
Ich vergalt alle diese Liebe mit den Anstrengungen, eine wirklich
vorbildlichen buchhändlerische Arbeit zu leisten. Dass mir dies gelungen
ist, zeigte, mir später die Entwicklung meine Geschäfts: von null RM zu
Beginn 1935 stieg mein Umsatz bis zur abermaligen zwangsweisen
Schließung nach Neujahr 1942, also in 7 Jahren, auf 162 000 RM, und
meine Kunden auf 7000, darunter etwa 4500 Pfarrer. Damit war ich nicht
nur - hinter Lunkenbein, Leipzig, - der zweitgrößte evangelische
Buchhändler des Reiches geworden, sondern zugleich in die Spitzengruppe
aller deutschen Buchhandlungen hinaufgerückt, von denen nur 6,8 % einen
Umsatz über 100 000 RM hatten. Die während dieser Zeit gemachten
Schulden konnte ich nach der Schließung meines Geschäfts 1942 abtragen.
Die Entwicklung meines Geschäfts
verdanke ich also meinen Lieferanten und meinen Kunden, die ich, je nach
den mir zur Verfügung gestellten Darlehen, im Auto besuchte. Ihnen
verdanke ich die Anregungen, die ich dann im Monatsbrief weitergab, den
ich im Januar 1937 begründete als eine ohne Wissen der
Reichsschrifttumskammer schwarz erscheinende theologisch literarische
Zeitschrift, die neben der lückenlosen Bibliographie noch kritische
Besprechungen brachte, ferner Empfehlungen, Anregungen für die
Schrifttumsarbeit der Gemeinden, Berichte über die kulturpolitische Lage
bezüglich des Schrifttums, usw. Obwohl die Monatsbriefe 4 1/2 Jahre lang
erschienen, und zwar monatlich in steigender Auflage und bis
Kriegsausbruch auch mit steigendem Umfang, ist doch trotz der vielen
Haussuchungen bei meinen Freunden und bei mir selbst nie ein Heft der
Gestapo in die Hände gefallen. Mein ausführlicher Bericht
über die den konfessionellen Verlag und Buchhandel lahmlegende Anordnung
Nr.133 aus 1939 wird noch in aller Erinnerung sein, ebenso meine Aktion
gegen die Anordnung 145 von 1941 mit ihren Mietverträgen, Plakaten, usw.
Gegen die Auswirkung der ersteren unternahm ich 1939 eine vierteljährige
Reise durch ganz Deutschland, wie überhaupt alle meine Reisen die
beabsichtigte Nebenwirkung hatten, den Geist und den Willen des
Widerstandes zu stärken.
Meine zweite Verfolgung setzte dann
im April 1941 ein: Als die RSK erfahren hatte, dass ich einen Pfarrer
als wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigte, der von Streicher
für 3 1/2 Jahre eingesperrt worden war, schickte sie mir die Gestapo auf
den Hals, die mich dann nicht mehr losließ. Dass ich außerdem seit 1938
einen christlichen Volljuden schwarz beschäftigte, der nachher auch mein
Geschäft liquidierte, bekam sie jedoch nicht heraus. Meine gesamte
Verlagsarbeit war außerdem schwarz geschehen. Nachdem mir der die
Untersuchungen führende Gestapobeamte erklärt hatte, die RSK sei über
den wachsenden Umfang meines Geschäftes erschrocken und wünsche deshalb
meine Schließung, kam die gewaltsame Lösung durch die Veröffentlichung
meiner Bildblätter für den Kindergottesdienst. Am 5.1.1942 wurde ein
Herr des Wchern Verlages Ohrenzeuge der gegen mich in Berlin
beschlossenen Maßnahmen: Schließung des Geschäfts, Geldstrafe von RM
35000 und KZ wegen "Sabotage an den Kriegsanstrengungen des deutschen
Volkes". Er ging sogleich zum Bahnhof, fuhr zu mir nach Leipzig und riet
sofort zu fliehen. Es gelang mir, einen Auslandspaß und sämtliche
Bewilligungen bis auf die des Wehrbezirkskommandos zu erhalten. Da ich
durch zahllose Erzählungen von der Wirklichkeit des KZ wußte und bereits
eine Auskämmungsaktion der RSK zur Überführung nicht kriegswichtiger
Buchhändler in die Rüstungsindustrie am Anlaufen war, hielt ich es als
av-Gemusterter nicht für unvereinbar mit meinem Gewissen, mich statt
dessen bei der Wehrmacht zu melden, wo man zu jener Zeit bereits vor der
Gestapo bzw. KZ sicher war, aus dem heraus sogar für die Wehrmacht
geworben wurde. Auf dem Wehrmeldeamt fand ich einen verständnisvollen
Hauptmann, der mir meinen Einberufungsbefehl gleich mitgab, so dass ich
bereits am 12.1.1942 Soldat war und die drei Gestapobeamten, die mich 2
Tage später verhaften wollten, das Nest leer fanden.
Damit war ich zwar nicht mehr in den
Klauen der Gestapo, wohl aber in denen des "nationalsozialistischen
Volksheeres". Ich sah sehr bald die beispiellose Korruption, vor allem
unter den Offizieren, von denen ich im Laufe der Jahre nur drei
unbestechliche kennengelernt habe. Da meine Anwesenheit als fremdes und
störendes Element empfunden wurde, wurde ich innerhalb der 40 Monate
meines Soldatendaseins nicht weniger als 14 mal versetzt. Die längste
Zeit war ich Dolmetscher, zuerst in Berlin, dann im Stalag. Als ich
meine Mitarbeit nicht mehr glaubte verantworten zu können, verfaßte ich
zwei geheime Denkschriften über die Korruption des Offizierskorps im
Stalag, das sich aus Paketen der Kriegsgefangenen gute Tage machte, und
einen sehr umfangreichen über die Mißhandlung der Kriegsgefangenen. Ich
gab sie auf geheimen Wegen an das OKW weiter. Aber da auch hier derselbe
Geist herrschte, erhielt ich die Quittung durch einen Scheinprozeß,
wurde bestraft, degradiert, aus av zu kv erklärt und zu einer
Fronteinheit versetzt. Am 5.5.1945 wurde ich in Südböhmen von sehr
anständigen Tschechen interniert und war am 29.5.1945 wieder in Korbach,
nachdem ich auf einem amerikanischen Auto von Brünn bis Frankfurt
gefahren worden war.
Das Schicksal meiner Familie war
indessen nicht weniger angreifend gewesen. Im Jahre 1943 (4.12.1943)
brannten Wohnung und Geschäft völlig ab, darunter alle meine
Geschäftsunterlagen, Bibliothek, eine große, Bildersammlung mit etwa 10
000 aufgezogenen Bildern, Manuskripte, Archive, also meine gesamte
Vorarbeit für meinen geplanten eigenen Verlag. Meiner Frau und den 4
jüngsten Kindern - die drei ältesten Jungen waren s.Zt. in Korbach bei
meine Eltern gelang es, durch eine letzte Lücke dem
Feuermeer zu entrinnen. Sie wurde ins Sudetenland evakuiert, von wo sie
Ende Februar 1945 unter Verlust aller inzwischen gemachten
Ersatzbeschaffungen und bei Mitnahme von nur 2 Koffern und 4
Schulranzen entkommen konnte. Da wir unter Ablehnung konjunkturellen
Nutznießertums nur legal handeln wollen, wohnen wir heute noch in 3
Wohnungen, 26 km voneinander getrennt, geliehenen Möbeln usw. Mein
Bargeld ist in der CSR verloren bzw. im russischen Gebiet rettungslos
blockiert.
Die Grundlage meiner zukünftigen
buchhändlerischen Arbeit bildet die Erkenntnis, dass wir im Dritten
Reich nur Vorgefechte für die letzte Auseinandersetzung zwischen dem
Herrn der Geschichte und dem Fürsten dieser Welt erlebt haben, dass es
zur Verantwortung der wachen Christen gehört, sich und andere auf diese
endzeitliche Situation immer wieder klar und entschieden hinzuweisen und
daraus die entsprechenden Folgerungen für das praktische Leben, in
meinem Falle: für die buchhändlerische Arbeit, zu ziehen. Daher habe ich
ab 1943 ein buchhändlerisches Programm entwickelt, das ich meinen
Freunden nach und nach mitzuteilen gedenke, sobald die unerläßlichen
materiellen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sein werden.
Dieses Programm richtet sich im Wesentlichen auf die innere Stärkung der
Christenheit angesichts der Probezeiten, denen wir den Zeichen der Zeit
nach zu urteilen entgegengehen, dann aber auch auf einen letzten Versuch
missionarischet Anstrengungen innerhalb unseres eigenen Volkes, das zu
einem höchst schwer zu bearbeitenden Missionsfelde geworden ist. Meine
leidenschaftlichen Bemühungen, in den geistlich entscheidenden ersten
Monaten nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zum Zuge zu kommen,
sind gescheitert: meine buchhändlerische Registrierung erhielt ich erst
im Juli 1946, meine Verlagslizenz habe ich bis heute noch nicht. Doch
weiß ich mich mit meinen Freunden aus der erprobten Kampfgemeinschaft
der Jahre bis 1942 her einig in den letzten Zielen unserer gemeinsamen
Arbeit, so dass ich nunmehr trotz aller äußeren Hemmungen -
den notwendigen Schritt vertrauensvoll tun zu dürfen glaube.
Mit herzlichem Gruße
Rudolf Heesen
Erklärungen zu den verwendeten
Abkürzungen:
SS Statssicherheitsdienst
SA Sturm-Abteilung
Gestapo geheime Staatspolizei
NSDAP national-sozialistische
deutsche Arbeiter-Partei
KZ Konzentrationslager
RSK
Reichs-Schriftentum-Kammer
BK Bekennende Christen
DC Deutsche Christen
RM Reichsmark
kv
kriegsverwendungsfähig
av
OKW Oberkommando der Wehrmacht
CSR Chechisch slowakische Republik
1947 15.12. Nr.1 oder 01.09.1947
zum
Evangelischer Bücherbrief Nr.1 15 Dezember 1947
1. Die
evangelische Wanderbücherei.
Neue Literatur, vor allem
evangelische, ist im Augenblick noch nicht zu beschaffen. Es gilt also,
die Bestände, die sich hin und her im Lande befinden, zweckentsprechend
zu verwerten.
Nun sind die einzelnen
Gemeindebüchereien ausgelesen und können nicht ergänzt werden. Einige
Freunde möchten nun ihre Büchereien austauschen gegen diejenigen aus
anderen Gemeinden. Sie haben mich gebeten, hier zu vermitteln. Mein
Vorschlag ist daher folgender:
Die Gemeinden übersenden mir ihre
Büchereien. Ich gebe diese titelmäßig im Bücherbrief bekannt. Aufgrund
dieser Titelangabe kann jede Gemeinde die gewünschten Titel bestellen
und erhält ebenso viele Bücher, wie sie der Evangelischen Wanderbücherei
zur Verfügung gestellt hat. Es empfiehlt sich , etwa die doppelte Menge
Titel zu bestellen, da viele Titel mehrfach verlangt werden dürften. Auf
diese Weise wird erreicht, dass der Kontakt der Gemeindeglieder mit dem
evgl. Buch nicht abreißt und damit auch nicht die Beeinflussung der
Gemeinden vom beispielhaft dargestellten Evangelium her. Die Ausleihe
erfolgt in den einzelnen Gemeinden durch den Pfarrer oder von diesem
beauftragte Personen zu den örtlchen Leihgebühren.
Zum Technischen: Da ich nicht
genügend Packpapier beschaffen kann, bitte ich darum, die hergesandten
Bücher in entsprechend dauerhaftes Papier einzuschlagen, den Buchtitel
oben auf dem Rücken anzubringen und die Bücher mit einem
Eigentumsstempel zu versehen. Denn sie bleiben Eigentum der an die Evgl.
Wanderbücherei angeschlossenen Gemeinden. Vor dem Hersenden bitte ich,
die Bücher, die dessen bedürfen, durch einen ortsansäßigen Buchbinder
reparieren zu lassen, da die hiesigen Buchbinder für einen so großen
Ansturm anfallender Reparaturarbeiten nicht eingerichtet und nicht mit
ausreichendem Material versehen sind. Auf diese Weise wird die
Gesamtlast des Unternehmens auf viele Orte verteilt. Die Übersendung der
ausgetauschten Bücher erfolgt in dem selben Packpapier, das zur
Hersendung benutzt wurde. Ich bitte also ausreichend Packpapier und
Kordel mitzusenden.
Diese aus den Gemeinden stammenden
Bücher werde ich ergänzen durch Bücher, die aus anderen Quellen stammen,
z.B.aus Spenden für diesen Zweck oder aus Titeln, die ich aus dem
Tauschverfahren gewinne (siehe unten) oder aus Neuproduktion. Es ist im
Augenblick nicht wesentlich, eigene Bücher zu besitzen oder sie durch
Hüten im Bücherschrank ansehnlich zu erhalten. Das dürfte inzwischen
klar geworden sein. Wir wollen ja hoffen, dass wieder genügend
Neuproduktion und Neuauflagen alter Bücher zur Verfügung stehen werden,
bis die alten Bestände, aus denen sich vorerst die Evgl. Wanderbücherei
zusammensetzen wird, unbrauchbar geworden sind. Und jeder Benutzer der
Evgl. Wanderbücherei verschleißt ja auch zu seinem Teile die fremden
Bücher, die er als Entgelt gegen die an seinem Eigentum eintretende
unausbleiblche Abnutzung leihweise erhält.
Zur Bestreitung der Unkosten (z.B.
Bücherbrief/Löhne) werden von den die Evgl. Wanderbücherei in Anspruch
nehmenden Büchereien an Gebühren erhoben: 1. Ein Jahresbeitrag von RM
5.-- und 2. eine Leihgebühr von RM -,10 je Titel und angefangenen Monat.
Im Verlauf der Tauschaktion entstehende Reperaturkosten trägt der letzte
Benutzer des betr. Buches.
Es steht selbstverständlich
jedermann frei, Bücher geschenk- oder leihweise zur Verfügung zu
stellen, und ich möchte ausdrücklich darum bitten, dass sich diejenigen
meiner Kunden, die nicht Verwalter einer Gemeindebücherei sind, an der
Evgl. Wanderbücherei auf diese Weise zu beteiligen.
Im nächsten Bücherbrief werde ich an
dieser Stelle die ersten Titel bekanntgeben, die inzwischen durch die
einzelnen Gemeindebüchereien eingesandt wurden und nun zur Ausleihung
zur Verfügung stehen.
2. Der private
Büchertausch.
Das Interesse meiner Kunden geht
dahin, Bücher zu erhalten, die ihnen fehlen und die sie im Interesse
ihrer wissenschaftlichen und praktischen Arbeit dringend benötigen. Mein
Interesse geht dahin, möglichst viele Bücher zu erhalten, um das von mir
angedeutete buchhändlerische Programm erfüllen zu können. Und zwar liegt
mir nicht nur an gängigen Titeln, etwa der seit 1918 erschienenen theol.
Literatur, sondern auch an evgl. und theol. Büchern aller Jahrhunderte
einschl. frommer Bilder und geistl. Musik.
Viele solcher Titel lagern auch
heute noch auf Speichern und in Truhen, ja, ich muBte sogar einige Male
feststellen, dass sie von ahnungslosen Händen auf einen gewissen Ort
gebracht worden waren - wahrlich ein Zeichen deutscher Not! Es ist
höchste Zeit, dass diese vielleicht selten gewordenen alten Zeugen
diesem wirklich letzten Verwendungszweck entrissen werden. Ich bitte
deshalb meine Freunde darum, hier aufklärend und werbend zu wirken und
die Früchte solcher Sammelaktionen evtl. Ihrer Gemeindebücherei durch
Vermittlung der Evgl. Wanderbücherei zugute kommen zu lassen. Zu dieser
Branche evgl. Schrifttums rechne ich auch solche Literatur, deren
Verfasser nicht evangelisch waren. (z.B. Chr. v. Schmid, Ludw. Richter,
Auerbach), die aber in ihren Büchern evgl. Wahrheit enthalten oder im
schwächsten Falle nichts anderes sind als Bücher, die "lieblich sind und
wohllauten".
Auf der ersten Interzonentagung der
Vereinigung evgl. Buchhändler im Juli 1947, der ersten seit ihrem Verbot
vor 10 Jahren, hörte ich, dass die evgl. Buchhandlungen der Großstädte
den Büchertisch auf Preisbasis aufgebaut haben. Da es sich um gebrauchte
Bücher handelt, werden sie mit einem um 20% unter dem damaligen Neupreis
liegenden Preis ausgezeichnet. Der Ankauf erfolgt dann zu 2/3 dieses
Altpreises, sodass der Erlös für den Verkäufer etwa die Hälfte des
Neupreises beträgt. Dieses genaue, aber umständliche Verfahren möchte
ich ersetzen durch ein Verfahren, das Titel gegen Titel setzt. Um meine
Unkosten und die Lebenshaltung meiner Familie bestreiten zu können, gebe
ich zwei Bücher ab, wenn mir drei andere dafür geschickt werden. Das
entspricht ziemlich genau der Rechnungsart in den Großstädten und ist
für die Kunden etwas günstiger als der Verlagsrabattsatz gegenüber dem
Buchhandel.
Sonderfälle wie RGG, Kittels Theol.
Wörterbuch zum NT, u.ä. bitte ich, mir besonders mitzuteilen. Es ist
klar, dass ich nicht 3 Bände RGG gegen 2 Homiletiker eintauschen darf
und will. Im übrigen ist zu diesem Thema noch zu sagen, dass zunächst ja
die Geschmäcker verschieden sind. Darauf beruht ja überhaupt der ganze
Tauschverkehr: dem einen ist ein Buch so unwichtig, dass er es abstößt,
und der andere gibt sogar 1 1/2 Buch dafür her, um es nur zu bekommen.
Und zum anderen: Der Verkehr zwischen dem Publikum und seinem
Buchhändler ist Vertrauenssache. Um die Aktion zum Anlaufen zu bringen,
bitte ich darum, mir schon jetzt Bücher zugehen zu lassen, damit ich
Tauschangebote im nächsten Bücherbrief bringen kann. Die Ersteinsender
haben dann die Möglichkeit aus den demnächst angebotenen Titeln das
Benötigte auszusuchen oder auch solange zu warten, bis ihnen ein
eintauschwürdiger Titel begegnet.
Die eingesandten Bücher sollen in
Umfang und Einband den angebotenen in etwa entsprechen, und zwar sollen
von den 3 eingesandten Büchern zwei theol.Inhalts sein, das 3. aber
theol. oder belletristischen.
Ich bin jedoch auch mit Tausch auf
Preisbasis einverstanden. Wer diese Art des Tausches bevorzugt, wird
gebeten, auf einem beigelegten Zettel den seinerzeitigen Kaufpreis
anzugeben. Die auf Preisbasis zu tauschenden Bücher erscheinen im
Bücherbrief mit Preisangebot. Eine Kombination beider Tauscharten ist
möglich. In diesem Fall wird der Preis der stückweise getauschten Bücher
von mir ermittelt.
3. Gesuchte
Bücher.
Inzwischen erhielt ich den schweren,
aber ehrenvollen Auftrag, für die im Herbst zu eröffnende Theologische
Hochschule der deutschen lutherischen Freikirchen die notwendige
Bibliothek zu beschaffen. Ich lege daher besonderes Gewicht auf das
Hereinkommen lutherischer Theologie und bitte meine Freunde, vor allem
in der Lüneburger Heide und im Bayrischen Wald, ihre Bauern und
Waldarbeiter auf die Jagd nach den alten "Tröstern" zu setzen, dabei
aber weder die neueren Ausleger noch die alten Dogmatiker in ihren
eigenen oder in ihrer Großväter Bücherschrank zu vergessen.
Zugleich sollen meine Kunden
Gelegenheit haben, durch den Bücherbrief Titel suchen zu lassen, die sie
dringend brauchen. Diese Titel werden an dieser Stelle angezeigt.
4. Besorgung verlagsneuer Bücher.
Die Schwierigkeit der gegenwärtigen
Lage erhellt aus der Notwendigkeit, dass ich täglich etwa 20 Exemplare
evgl. Literatur erhalten müßte, wollte ich jedem meiner 7000 Kunden ,
darunter 4500 Pfarrer, jährlich auch nur ein einziges Exemplar zur
Verfügung stellen. Dieses eine Exemplar wäre dann zumeist auch noch ein
Groschenheft. Tatsache ist jedoch, dass ich angesichts der von der
Nachrichtenkontrolle festgesetzten Höchstauflage von 5000 Exemplaren je
Titel wöchentlich kaum 20 Exemplare von allen evgl. Verlagen zusammen
erhalte. Wie soll ich diese nun gerecht verteilen? Ist es nicht doch
noch zu früh, meine Buchhandlung wieder zu eröffnen? Oder soll ich meine
buchhändlerische Tätigkeit auf die bisher besprochenen Tauscheinrichtung
beschränken? Dann wäre es aber doch schade, die auf mich entfallenden
Exemplare der Neuproduktion nicht zu verwerten, trotz der Gefahr, mein
Ansehen zu verlieren oder diesen oder jenen Kunden zu verärgern?!
Wer mir einen Ausweg bietenden Rat
erteilen kann, sei herzlich darum gebeten.
Als Übergangslösung möchte ich
vorschlagen, dass für jedes mir zum Tausch eingesandte Buch der
betreffende Einsender das Bezugsrecht auf einen Titel der Neuproduktion
erhält. Diesen neuen Titel teilt mir der Kunde dann mit. Ich versuche
ihn zu beschaffen, sage aber heute schon, dass dies in den meisten
Fällen vergebliche Mühe sein wird. Denn die angezeigten Neuerscheinungen
sind bereits vergriffen. Praktisch wird es also so sein, dass ich aus
den mir vom Verlag zugesandten Titeln zuteilen muß. Ich werde diese
Verlagssendungen erst 3 Wochen nach Versand des Bücherbriefes an meine
Kunden zuteilen, um auch den Kunden mit der schlechteren Postverbindung
die Möglichkeit eigener Wahl zu lassen. Den nicht bestellten Rest werde
ich unbestellt auf meine Kunden aufteilen, welche das Bezugsrecht durch
Einsendung alter Bücher erworben und mir außerdem für diese Zusendung
das bei mir nicht vorhandene Packmaterial zugesandt haben. Letzteres
sollte immer zur Stelle sein, um auch Fortsetzungen ausliefern zu
können.
Ausgewiesene und ausgebombte Kunden
mögen mir mitteilen, dass sie ihre Bücher verloren haben. Hier plane ich
ein anderes Verfahren.
Das ist alles andere als eine ideale
Lösung, und wir wollen hoffen, dass nicht nur die allgemeine Lage sich
bessern, sondern auch meine Bemühungen Erfolg haben werden entsp. meinen
alten Verdiensten um die evgl. Literatur wieder mein alte Position
gegenüber dem evgl. Verlag zurückzugewinnen, die ich durch meine
zwangsweise Geschäftsschließung und durch den Verlust meines alten
Arbeitsplatzes in Leipzig wider meinen Willen eingebüßt habe. Dazu hoffe
ich, noch andere Quellen zur Beschaffung neuer Literatur erschließen zu
können.
5.
Anschriften.
Ich suche die gegenwärtigen
Anschriften meiner früher in der jetzigen polnischen Zone ansässig
gewesenen Kunden, ferner diejenigen Kunden, deren Namen mit den
Buchstaben E bis Har und Kop bis Kz beginnen, da diese Blätter meiner
Kundenliste verloren gegangen sind. Wer kann mir zur Ergänzung der
Kundenliste das Deutsche kirchl. Adreßbuch von 1937, Müllers Deutsches
Ortsbuch und einen Handatlas mit Ortsregister überlassen?
6. Theologische Bibliographie.
Wie in den früheren Jahren werde ich
wieder sämtliche Neuerscheinungen der evgl. Theologie anzeigen und dazu
die wichtigsten Titel aus den Randgebieten. Angesichts der Marktlage ist
dies ein ausgesprochener Kundendienst.
Trotzdem übernehme ich diesen Dienst
mit Freuden, nicht nur seiner wissenschaftlichen Bedeutung wegen,
sondern auch in der Hoffnung, dadurch die unterbrochene Verbindung zu
meinen Freunden wieder fest zu knüpfen.
Es bedarf unter Wissenschaftlern
keiner Erörterung, dass die Mitteilung eines Titels aus dem gegnerischen
Lager keine Empfehlung, sondern nur eine Information bedeutet.
Nach den Veröffentlichungen der
Neuerscheinungen werde ich auch die Berichterstattung über die einzelnen
Sachgebiete wieder aufnehmen.
(Bücherbrief Rudolf Heesen
1.September 1947 S1-S6)
1948 01.08. Nr.8 Seite 69
Gedicht von Rudolf Alexander
Schröder: Unter Freunden zu singen:
Gott dank, dass ich euch habe,
nun alles sich verliert.
Euch, erst und letzte Gabe,
die keiner nehmen wird.
Ich eurer Treue halte
zu ewigem Gewinn,
um euch die Arme falte
und unverwundbar bin.
Lasst, lasst sie triumphieren,
wir treten neu hervor.
Was können wir verlieren?
Die Welt ist’s, die verlor.
Uns ist die Kraft gegeben,
die allem widersteht,
die aufrecht durch das Leben
auch unterm Leide geht.
Geduld, die unverrücket
im Fels die Wurzeln schlägt
und wachsend, was sie drücket,
hinauf zum Himmel trägt.
Ein Geist, den nicht’s bekümmert,
Ein Glaube, dem nicht graut,
der, wo das Haus zertrümmert,
den Tempel aufgebaut.
Der weiß, es wird den Erben
ihr Erbe nicht gekränkt,
braucht keiner drum zu werben,
dem alles ist geschenkt.
In unsres Kummers Tagen
wir haben wohl vermerkt,
je härter wir geschlagen,
je mehr sind wir gestärkt.
Wollt mir die Hände reichen,
versiegelt’s Mund auf Mund,
und unter allen Zeichen
bleibt es derselbe Bund.
Weil er mit seinen Gaben
in unsrer Mitte webt,
weil alles, was wir haben,
nach ihm die Hände hebt.
1948 01.09. Nr.9
Evangelischer
Bücherbrief Nr.9 1.Sept.1948
des Buchhändlers Rudolf Heesen
zuletzt in Leipzig,
jetzt wieder
in 16-Korbach/Waldeck
Währungsreformierter (terminus
Passivus) Schlußbericht über die Jahre 1933-48
Vorbemerkung
für meine neuen Kunden:
Der im Geschäftsleben sonst
ungewöhnliche persönliche Ton rührt her aus meiner persönlichen
Verbundenheit mit meinen alten Freunden aus der DCSV, dem
Bethel-Studentenbund und dem Theologischen Verein, von denen ich bis
Kriegsausbruch etwa 2500 im ganzen Reich besuchte. Da ich den
Bücherbrief aber nicht in 2 Ausgaben drucken kann, bitte ich, an diesem
Ton keinen Anstoß zu nehmen.
Liebe Freunde!
Ihr seid es von früher her gewöhnt,
dass ich offen über alles schreibe. Wenn dies auch oft genug "taktisch
unklug" war, so hat es mir doch wenigstens Euer Vertrauen eingetragen,
ohne welches ich die bösen und doch so erfolgreichen Jahre bis zur
Schließung meines Leipzigers Geschäftes durch die Gestapo im Jan. 1942
nicht hätte überstehen können und für das ich Euch früher durch beste
buchhändlerische Leistung gedankt habe und auch weiterhin dienen zu
dürfen hoffe.
Was das dritte Reich nicht zustande
gebracht hat, hat die "Währungsreform" erreicht - als hoffentlich letzte
Folge jener unseligen Jahre: die völlige Vernichtung meiner
Betriebsmittel. Die Schlußbilanz des Dritten Reiches und seiner Folgen
sieht für mich so aus:
|
|
Verlust RM
|
Advent 1934
|
1. Flucht vor NS-Terror und
Zwangsverkauf meines Geschäftes:
|
7.050,--
|
Jan 1942
|
2. Flucht vor KZ u.
Schließung meines Geschäftes durch Gestapo:
|
-------,--
|
1943
|
Totaler Bombenschaden in
Leipzig. Sachschaden:
|
78.691,94
|
1945
|
3. Flucht aus Sudetenland.
Sachschaden:
Kapitalschaden:
|
14.406,21
10.001,--
|
1945/48
|
Blockierung und völlige
Abschreibung meiner Bankguthaben in der russischen Zone:
|
51.260,12
|
1948
|
Sperrung meiner erst 1948
entstandenen Neuguthaben in der russischen Zone:
Verlust in den Westzonen
durch die Währungsreform:
Davon ab die verbliebenen
Aktiva:
Außenstände, Bestände der
Versandleihbücherei, Warenlager, Inventar, Eigenmöbel
für 2 Eltern, 7 Kinder, 4
Arbeitsplätze
im Büro: 5 Stühle, 3 Tische,
3 Schränke,
5 Betten,
Geldbestände 197,--!:
zusammen
Gesamtverlust 1933-48
|
5.523,81
9.912,95
176.846,03
+ 2.795,54
----------
174.050,49
|
An Kopfgeld fehlten mir sogar noch
RM 4.600,--. In dieses Defizit stürzten die Tausende von RM-Zahlungen,
die mir in den Tagen der Währungsreform noch seitens meiner Kunden
zugingen - a fonds perdu! -, die mich aber zur Aufnahme von RM 6.600,--
Darlehen zwangen, um meinerseits meine Schulden bezahlen zu können, und
mich nun mit 660,--DM weiter belasten.
Von der sozialen
Verantwortung:
Wenn ich in Nr. 1 des Bücherbriefes
vom 15.12.47 schrieb, dass die Erfüllung der vordringlichen Aufgaben der
evgl. Schrifttumsarbeit nicht möglich sei auf der alten Grundlage des
reinen Geschäftsbetriebes, sondern nur durch eine Gemeinschaftsleistung,
in der ich selbst nichts weiter sein werde, als die Vermittlungsstelle,
- so habe ich dieses mein Versprechen auf folgende Weise wahrgemacht:
1. F l ü c h t l i n g e:
Obwohl diese nur einen Bruchteil des
Gehaltes bekommen und nach der Währungsreform vordringliche Ausgaben
haben (Haushalt, Möbel, Wäsche, usw.), war ich unklug genug, zunächst
deren Wünsche zu befriedigen und die sehr wenigen Bücher fast
ausschließlich an diese Gruppe, an Ausgebombte und an Studenten
weiterzugeben. Als weitere Hilfe organisierte ich die B Ü C H E R G E S
C H E N K E , die hoffentlich weiterfließen werden. Die EVGL. W A N D E
R B Ü C H E R E I , ebenfalls aus Geschenken entstanden, soll helfen,
Gemeindebüchereien aufzubauen, die vor allem in den Gemeinden mit
starkem Flüchtlingszugang so unendlich wichtig sind zur Schaffung einer
bewußt christlichen Haltung und Erkenntnis. Den Flüchtlingspfarrer soll
die t h e o l. V E R S A N D -
L E I H B Ü C H E R E I zur Kenntnis
der neuen Literatur verhelfen, die sie von nun an noch weniger käuflich
erwerben können als bisher. Allein dieser Zweig meiner Arbeit kostete
mich bisher mehrere Tausend Mark!
2. O S T Z O N E:
Es war mir unmöglich, so zu tun, als
ob Meine alten Freunde in der Ostzone, verstärkt durch viele aus
Pommern, Schlesien usw., einfach nicht vorhanden seien. Es war mir
unmöglich, sie im Stich zu lassen, die immer noch in der Bedrohung durch
"organisatorische Verkrümmung" und in geistlichem Heißhunger leben und
an der h e u t i g e n Front stehen. So habe ich fast ein Drittel aller
meiner Lieferungen nach der Ostzone gehen lassen, - in Doppelbriefen,
notabene, - trotz der üblichen "wohlmeinenden" Warnungen. Meine Freunde
in der Ostzone werden mir verzeihen, wenn ich alle Lieferungen
eingestellt habe, da ich bei DM 197,-- Betriebskapital keine a fonds
Perdu-Sendungen mehr machen kann.
3. K E I N E H O R T U N G:
Um unter allen Umständen ein gutes
Gewissen zu haben, haben wir, einschließlich meiner Frau und Kinder, in
den Nächten vor der Währungsreform, z.T. bis 4 Uhr morgens, gearbeitet,
um alle vorhandenen Bestände meinen Kunden zugutekommen zu lassen, so
dass sich z.Zt. mein Lager fast ausschließlich aus Rücksendungen
zusammensetzt, weil meine Kunden es mir nicht zumuten wollten, die im
Preis nicht abgewerteten Bücher mit abgewerteten DM - Beträgen zu
bezahlen. Privatkapitalistisch gesehen, war dies gewiß Unfug, aber aus
brüderlicher Verantwortung heraus gehandelt.
4. R I N G T A U S C H und B I
B L I O G R A P H I E nehmen außer mir die ganze Arbeitskraft
eines zweiten Volltheologen, meines Herrn Pohl, in Anspruch. Sie sind
ausgesprochener Kundendienst und haben bisher so gut wie nichts
eingebracht. Aber sie sind, ebenso wie der ganze
B Ü C H E R B R I E F, das enge
Band, das mich mit meinen alten Freunden und neuen Kunden verbindet und,
wie ich hoffe, in Zukunft seine guten und ehrlichen Früchte tragen wird.
5. G E W I N N T E I L U N G:
Nachdem die Hungerjahre meines
Neuaufbaus 1935 bis 1937 einer Besserung Platz gemacht hatten, setzte
ich mich im Frühjahr 1939 mit meinen Leipziger Mitarbeitern zusammen, um
eine Gewinnverteilung festzusetzen, der auch ich unterworfen war. Der
Kriegsausbruch verhinderte die praktische Auswirkung. Nach der
Wiedereröffnung meines Geschäftes im Dezember 1947 führte ich diese
Gewinnverteilung sofort wieder ein und verzeichne als erste Folge, dass
nach dem 20.6.1948 sich alle meine Mitarbeiter bereiterklärt haben, ohne
Gehalt weiterzuarbeiten.
Die Marktlage im
Buchhandel.
Kundenbriefe beschweren sich, dass
jetzt Bücher lieferbar sind ,die noch einige Tage vor der Währungsreform
von den Verlegern selbst auf Meldekarten als "völlig vergriffen"
bezeichnet worden waren. Meine gegenwärtige Situation hat mich zu der
schmerzlichen Erkenntnis gebracht, dass der Verlag so handeln mußte,
wenn er die in unser aller Interesse notwendige Fortführung seiner
Arbeit sichern wollte.. Durch die jetzt in Fülle eingehenden Angebote
kommt der Verlag jetzt wieder zu Betriebsmitteln und auf diese
gehorteten Bücher stürzen sich
1948 01.11. Nr.11 Seite 116
Papiermangel zwingt
mich leider, diesen Bücherbrief in verkürztem Umfang herauszubringen.
Sobald ich wieder Papiervorrat erworben habe, erscheint der Bücherbrief
wieder in bisherigem Umfang und mit der wertvollen Bibliographie.
1948 01.12.
Nr.12 Seite 123
Gratulation aller Mitarbeiter
der Buchhandlung zum Weihnachtsfest 1948
... Hans Pohl, sein
wertvoller Theologischer Begleiter
... Werner Titel, sein
bester Bücherkolporteur
1948
01.01. Nr.1
Evangelischer
Bücherbrief Nr.2 1.Februar 1949
des
Buchhändlers Rudolf Heesen
zuletzt in
Leipzig,
jetzt wieder
in 16 Korbach/Waldeck
Immer ist es so gewesen
hier in diesem alten Land:
Wenn die
Abendglocken läuten
gingen heim
sie Hand in Hand.
Offen waren
alle Türen,
und durch jede
sprang ein Kind;
und zu Hause
fand es betend
Vater, Mutter
und Gesind -
Immer ist das
o gewesen,
dass das Kind
nach Hause lief,
heim zu
Mutter, heim zum Vater,
wenn die
Abendglocke rief.
Und nun läuten
schon zu Abend
alle Glocken
dieser Welt - - -
Brüder, kommt,
wir gehen zum Vater,
eh’ die Nacht
uns überfällt!
Richard
Willy Biesold
Seite 2
Befreundete Verleger haben mir aus
altem Wohlwollen die Warnung zugehen lassen, dass ich nach Weihnachten
mit scharfen Maßnamen finanzieller Art zu rechnen hätte. Auch die
evangelischen Verleger seien nicht gewillt durch übermäßige Kredite den
Wiederaufbau meines Betriebes zu ermöglichen. Pfändungen und noch
schlimmere Dinge stünden mir bevor.
Seit dem 21.6.1948 haben meine
Kunden noch nicht die Hälfte aller Lieferungen bezahlt, sodass sich
meine Lieferanten erst etwa zu einem Viertel befriedigen konnte, da von
den Zahlungen meiner Kunden ja auch die Betriebskosten und der
Lebensunterhalt meiner Mitarbeiter und deren Familien bestritten werden
müssen. Auf meine Frage, wie ich denn mit den von mir erbliebenen DM
197.- Betriebskapital die Lieferungen an meine Kunden ermöglichen soll,
antworte man mir, ich dürfe eben keinen Kredit geben und das
Zahlungsziel der Verleger von 30 Tagen in keinem Fall überschreiten. Das
ist natürlich unmöglich. Eine Anzahl evangelischer Verleger haben mir
bereits die Lieferungen bis zur endgültigen Abdeckung meiner Schuld
gesperrt, andere haben erhebliche Rabattkürzungen vorgenommen, andere
beliefern mich nur noch gegen Wechsel!
1949 01.02. Nr.2
D e r n e u e T a g
Ich weiß von einen neuen Tag
schon in der tiefen Nacht - -
Mir kündet einer Glocke Schlag
sein Auferstehn mit Macht. -
Ich sehe seines Morgens Schein
schon in der Finsternis. -
Ich schreite in den Tag hinein
und bin des Tags gewiß.
Ich schreite über Schutt und
Schuld
der Sünde meiner Zeit. -
Ich preise meines Gottes Huld
noch in des Büßers Kleid. -
Ich sehe durch sein Strafgericht
der Gnade Sonnenschein. -
Ich schreite in des Tages Licht
und kann nicht traurig sein!
Und sind um mich der Scherben
viel:
Gott-Vaters Burg ist heil!
Und quirlt um mich vergänglich
Spiel:
Ich weiß mein ewig Teil!
Ich weiß vom großen Auferstehn
des Volkes, dass gebüßt! - -
Ich hab den neuen Tag gesehn,
Der meines0 Volkes ist:
Den Tag des Rechts, den Tag der
Zucht,
Der Wahrheit und der Treu. - -
Ich hab den Tag umsonst gesucht,
Da noch mein Volk war frei. - -
Nun, da mein Volk in Ketten geht
in tiefer Treuernacht,
nun weiß ich, dass er aufersteht
Der Tag von Gott gemacht! - -
Pfarrer Richard Willy Biesold 1945
1949 01.03. Seite 89
Verteilblättchen für den
Kindergottesdienst mit Bildern von Paula Jordan
- Federzeichnungen mit biblischen
Geschichten auf der Rückseite.
1949 01.05. Nr.5 Seite 129
Die vielen
Rücksendungen des meinen Kunden kostenlos zugesandten
Bücherbriefes zeigen mir dessen außerordentlichen moralischen Wirkung.
Doch soll der Bücherbrief kein Versucher, sondern ein Freudenbringer
sein. Durch seine Zusendung braucht sich als niemand dazu verführen zu
lassen mehr zu bestellen, als es nach der Dicke seines Geldbeutels
verantworten kann. - Wir haben selbst kein Geld! Rudolf Heesen
1949 01.11. Nr.11 Seite 289
Unser Ziel: In jedem Dorf
In jedem Kirchekreis
In jedem Haus
großzügige Schriftenmission!
1949 01.12. Nr.12 Seite 336
Kommt alle, kommt wie ihr seid
keine einz’ger ausgenommen!
Ihr könnt Vergebung, Fried und
Freud,
von ihm geschenkt bekommen!
Zinzendorf
1950 01.02. Nr.2 Seite 33
RH schreibt:
Schwierigkeiten und Hoffnung
Meine Schwester will ihr Haus
in Korbach verkaufen, um uns zur Übersiedlung nach Stuttgart
die notwendigen Mittel zu verschaffen.
In Erwartung dieser Mittel hat
uns die Stadt Stuttgart zunächst einen Büroraum und die
Zuzugsgenehmigung für meinen Sohn Hans-Georg und mich eingeräumt, damit
wir an Ort und Stelle die notwendigen Arbeiten für den geplanten Ausbau
vornehmen können.
1950 01.06. Nr 6 Seite 177
Wenn es gelingt unsere Arbeit
unter dem Blickpunkt der Ewigkeit zu bringen, dann dient alles dem
ewigen Ziel.
Friedrich von Bodelschwingh
1950 01.11. Seite 429
Buchanzeige: Klepper:
Der Vater
1951 01.02. Seite 33-64
Evangelischer
Bücherbrief 1.Februar 1951
des
Buchhändlers Rudolf Heesen
in 14a Stuttgart Johannesstraße 11
Begründet 1937 als "Monatsbrief
der Buchhandlung Rudolf Heesen
in Leipzig"
Seite 33: „Den
evangelischen Bücherbrief erhalten alle meine Kunden kostenlos, aus
deren Umsatz sich ergibt, dass der Bücherbrief ihnen auch den
beabsichtigten Dienst tut.“
Abdruck des Liedes:
„Hymne an Deutschland“
von Rudolf
Alexander Schröder 1878 - 1962
evgl.
Theologe, Erneuerer des evgl. Kirchenliedes
(von GH zugefügt aus dem „Internet“: Diese Hymne an
Deutschland ist ein Lied - nach dem Wunsch des damaligen
Bundespräsidenten Theodor Heuss - die Nationalhymne der Bundesrepublik
Deutschland hätte werden sollen. In einem Briefwechsel einigten sich
Heuss und Bundeskanzler Adenauer schließlich 1952 darauf, das
Deutschlandlied von Heinrich Hoffmann von Fallersleben als Deutsche
Nationalhymne anzuerkennen. Die 3 Strophen haben jeweils eine der
christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Lieb als Leitwort: Land des
Glaubens, deutsches Land, - Land der Hoffnung, Heimatland - Land der
Liebe, Vaterland)
Anmerkung Sohn Gerhard am
6.7.2018: Für diese Werte hat unser Vater stets und mit
großem Einsatz gekämpft!
Stolze Freude ergriff mich, als
ich hörte, dass einer der Unseren das neue Deutschlandlied schaffen
durfte. - Mit demütigem Dank erfuhr ich dann den Text des Liedes. Wenn
die Worte Hoffmanns von Fallerleben den Gehalt "deutschen Wesens" und
deutscher Geschichte der letzten 100 Jahre tatsächlich annähernd richtig
gekennzeichnet haben, - was könnten wir sehnlicher wünschen, als dass
R.A. Schröder die Geschichte und das Streben Deutschlands und der
kommenden 100 Jahre ebenso treffend kennzeichnet!? Der "rote Faden" ist
biblisch! Ihn zu verwirklichen sind wir alle berufen! R.H.
Hymne an Deutschland
1.
Land des Glaubens, deutsches Land,
Land
der Väter und der Erben,
uns
im Leben und im Sterben
Haus
und Herberg, Trost und Pfand,
sei
den Toten zum Gedächtnis,
den
Lebend'gen zum Vermächtnis,
freudig vor der Welt bekannt,
Land des Glaubens,
deutsches Land!
2.
Land der Hoffnung, Heimatland,
ob
die Wetter, ob die Wogen
über
dich hinweggezogen.
Ob
die Feuer dich verbrannt,
du
hast Hände, die da bauen,
du
hast Herzen, die vertrauen.
Lieb
und Treue halten stand.
Land der Hoffnung,
Heimatland.
3.
Land der Liebe, Vaterland,
heil'ger Grund, auf den sich gründet,
was
in Lieb und Leid verbündet
Herz
mit Herzen, Hand mit Hand.
Frei,
wie wir dir angehören.
schling um uns dein Friedensband.
Land
der Liebe, Vaterland.
Gedicht: Rudolf Alexander
Schröder
Musik: Hermmann Reutter
1951 01.12. Nr.12
Foto Jochen Klepper
22.3.1903 - 11.12.1942
Pfarrer,
Schriftsteller und Liederdichter
Worte von
Jochen Klepper aus der „Katharina von Bora“
„Es ist nicht
so wichtig, mit den Menschen über Gott, als mit Gott über die Menschen
zu reden. Denn beim Reden über Gott bleibt den Redenden ja so viel
Dekor! Weil die Welt ausgerichtet ist auf ein Buch, die Bibel, darum ist
Bücherschreiben eine so große Sache, dass es nicht anders als mit
Zittern und Zagen vor sich gehen kann. Ich danke Gott, dass er mir in
diesen bitteren Wochen wieder Luther in die Hände gegeben hat; denn
seine Sprache ist die einzige, die ich zu verstehen, die mich zu treffen
vermag, vor der ich mich nicht mühen und quälen muss. Dass ich Ihn
leidend lobe, das ist, was er begehrt. Denn auch alles andere Schreiben
soll in die und zu der Heiligen Schrift weisen.“ (Luther)
1952 01.03.
Nr.2 Stuttgart Johannesstr.11
S25 Gott zum Gruß! Liebe
Evangelische Bücherfreunde!
Das neue Jahr hat für unsere Sache mit viel Sorge und
not eingesetzt. Noch ist es nicht sicher, ob wir weiter arbeiten können
- ob wir nicht zuletzt doch alle unsere Ziele aufgeben müssen. - Es sind
zu wenige. die ernst damit machen. wir wissen wohl, wie schwer es ist,
heute , wo Bücher für die Meisten ein Luxus sind, neue Mitglieder zu
werben. - Es geht um viel mehr: es geht um den Kampf gegen Schund und
Schmutz, für den immer noch viel Geld vorhanden ist - es geht um unserer
Jugend, um unser Volk!
Der Vorstand der Evangelischen Bücherfreunde (gez.)
Ma Pohl stellvertretende
Vorsitzende (Pastor Pohl war thelogischer Mitarbeiter von Rudolf Heesen
1952 01.03.
Nr.2
S29 Ein
anonymer Brief an Pfr.Boland (Evg.Bücherfreunde)
Sie haben als
einzige Stelle den Versuch unternommen, einer großen Not mit neuartigen
mitteln zu Leibe zu gehen. Sie sammeln Mitgliedsbeiträge, um durch
Kolportage nicht nur die Schmutzflut einzudämmen, sondern durch ihre
Buchgaben auch Besseres an deren Stelle zu setzen. Die evgl.
Bücherfreunde sind die einzige, die nicht nur protestieren, sondern auch
handeln.
„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“ war unser
Losungswort als Christliche Pfandfinder. Allein schon darum hat ihr
Unternehmen Wert. Und ich will nicht beschämen lassen, sondern
mit“taten“.
Spende von
unbekannt 500 RM (soll wohl DM heißen) 22.10.1951.
1952 01.05.
Nr.3
S57 Ich suche:
1. Einen jungen Theologen, nicht älter als 25
Jahre, ledig. Er soll nach der notwendigen Einarbeitungszeit meine
rechte Hand werden. Einfühlungsvermögen, Organisationstalent und
Zuverlässigkeit erforderlich.
2. Junges Mädchen,
Mittelschulreife oder besonders begabte Volksschülerin, unter
20 Jahre alt, geistig interessiert und mit Erfahrung in kirchlicher
Arbeit, bis spätestens 1.Juli zur Einarbeitung in Lebensstellung.
1952 01.06.
Nr.4
S79 Auszug aus dem General - Anzeiger:
Soweit kommt
es: Ein Kaufmann aus Bonn eilte in den frühen Morgenstunden mit Rucksack
und Gewehr, ihm zur Seite sein treuer Jagdhund, zum Bahnhof. Er trifft
einen Freund: „Nanu“ meinte der.
„gehst
Du die Außenständer eintreiben? Zahlen Deine
Freunde so schlecht?
Das ganz böse Kapital:
Als erste Mahnung verweise ich (RH) seit kurzem
folgenden Text: Eine große Freude wäre es mir, wenn ich innerhalb der
nächsten 10 Tage den Eingang meines Guthabens feststellen dürfte. Auch
meine Lieferanten würden sich freuen. Auch meine Frau und meine
Kinder würden sich freuen. Auch Sie würden sich freuen - nicht nur, weil
Sie dann so viel Menschen eine Freude gemacht hätten, sondern weil Sie
dann eine Schuld losgeworden sind. Lassen Sie sich die schöne
Gelegenheit nicht entgehen und greifen Sie gleich zu ihrem
Überweisungsheft.
1952 01.08.
Nr.5 Neue Anschrift: Stuttgart Weilimdorf
1953 01.01
Nr.1
Familie Rudolf Heesen als Strichzeichnung
1. Frau
Hildegard OKB - Oberkommando der Buchhandlung
2. Rudolf
Werbung und Verärgerung der Kunden
3. Hans Georg
Bestellbuch und Buchhaltung
4. Joachim
Zeitschriften Fortsetzungswerke Expedition
5. Irmgard
Ablage Allgemeine Verwaltung
6. Gerhard
Schüler und Nutznießer
7. Karl Rudolf
wie vor
8. Günther
Lehrling + Nutznießer
9 Ingeborg
Schülerin daneben Prospekte
Bücherbriefe
fertig machen
10 Gisela
Chansonette süßes Mädchen für alle
etatmäßig =
10% seelische Aufmöbelung des Betriebes
1953 01.01.
Nr.9 Seite 233 (Büroklammer)
Weihnachtsnummer (im Ordner Bücherbrief 1953)
Der du allein
der Ewige heißt
und Anfang,
Ziel und Mitte weißt,
bleib du uns
gnädig zugewandt
und führe uns
an deiner Hand.
Jochen Klepper
1953 Nr.9
(Büroklammer)
Foto von
Walter Thibault + (in Uniform)
weiland
Prokurist der Firma Rudolf Heesen, Fachbuchhandlung für
evangelische
Theologie und Gemeinde in Leipzig
1953 Nr.9
(grüne Büroklammer)
Die gute Mär
wird wieder neu.
Gott will,
dass alle Welt sich freu:
Noch einmal
kommt der Sohn zur Erden,
es soll noch
einmal Frieden werden.
Schon brennt
im Stall das Weihnachtslicht,
schon sprach
der Engel: “Fürchte nicht.“
Sang laut:
„Das Erste ist vergangen,
das neue Jahr
hat angefangen.“
Ein gnädig
Jahr, ein Jahr des Herrn,
darüber steht
der Jakobsstern,
der einst des
Morgenlands Propheten,
berief, vorm
Kindlein anzubeten.
Ja, Jesus
frommster Gast der Welt,
mach wahr dein
Wort, wo dir’s gefällt;
Auf finstrem
Steg, im Tal der Schrecken
sei mein
Begleiter, Stab und Stecken.
Da schenk mir
ein, da brich dein Brot,
dann hat mein
Hunger keine Not.
Komm Tag für
Tag mein Herz erneuern
und lehr mich
ewig Weihnacht feiern.
Weihnachtsgedicht von Rudolf Alexander Schröder 1878-1962
1935
Mitglied der bekennenden Kirche
1953
veröffentlich im Bücherbrief der evgl. Versandbuchhandlung Rudolf Heesen
1954 01.02.
S26 Wem der
Teufel ein Amt gibt...
Der Karneval wird bald vorüber
sein, jedenfalls in den katholischen Gegend wird er mit dem
Aschermittwoch sein Ende finden. Es ist tief beschämend, dass der
Karneval in vorwiegend evangelischen Gebieten Eingang gefunden hat -
dank der allgemeinen Lebensangst und der “Torschlusspanik“ der Massen
mit ihrem sich Austobenwollen und Allesvergessen um jeden Preis. Und es
ist tief beschämend, dass man den Karneval in evangelischen Gegenden
diese Grenze des Aschermittwoch nicht absetzt, sondern in die
Passionszeit hinein - und durch sie hindurch - tanzt. Was der Karneval
bringen wird, wieder einmal und wieder in steigendem Maße bringen wird,
wissen wir: Zunahme der Ehescheidungen und Ehezerrüttungen. Zudem
Geschlechtskrankheiten, Zunahme der Jugendverwahrlosung. Darüber ist im
kirchlichen Raum genug geschrieben, gesprochen und gepredigt worden. Was
man bisher nicht wusste, dass es bei diesem Karneval so etwas wie „Ämter“
gibt. ... Der Deutsche hat - oder hatte jedenfalls - immer besondere
Achtung vor einem Amt und dessen Träger ...
(Seite 26 + 27)
Buchbesprechungen:
S51 Field Rachel: Hölle, wo ist dein Sieg?
Ein sehr guter
Frauenroman RH
S52 Theodor
Haering: Schwabenspiegel: Ein liebesherzvolles, humoriges
kenntnis- und
geistreiches Buch RH
S52 Kurt
Ihlenfeld: Kommt wieder, Menschenkinder:
Ein
Gottesleugner berichtet seinen Genossen RH
S59 Paul
Schneider: Der Prediger von Buchenwald:
„Ob nicht das
Deutsche Reich darüber zerbricht? Es berührt einen
heute ganz
eigen, wenn man sieht, wie die großen Propheten des AT
der fast
völligen Vernichtung ihres Volkes so kalt und
entschlossen
ins Aug sehen (Auszug aus Schneiders Tagebuch) RH
1954 01.05.
Nr.4
S78 Evangelische Bücherhilfe
e.V.
Diese Seite verdanken wir der Verbundenheit unseres
Freundes R.Heesen mit unserer Arbeit, die Weiterbesteht, obwohl er wegen
seiner sonstigen großen Beanspruchung keine Zeit mehr zur mithilfe hat.
1954 01.10.
Nr.5
Ausführlicher Bericht über den Brand am 11. Mai
1954
1954 01.02.
Nr.7
S165 ... „Rückblick“ allerdings
bestätigen die statistischen Ermittlungen für das Jahr 1954 unsere schon
im Vorjahr vorhandenen Ermutungen, dass der Bücherbrief nur
einen „moralischen Erfolg“ hat und „keinen kaufmännischen.“
Fortfall von bisher 9 auf nur noch 6 Bücherbriefen im Jahr. Jede
Nummer kostet 1160 DM
1955 15.06.
Nr.8
Wir sind umgezogen nach
Stuttgart Plattenhardt Distelklinge 1
Wir hoffen,
dass dies unser letzter Wohnungswechsel gewesen ist, denn wir haben ohne
Zweifel den Umzugsrekord erreicht: In fast 25 Jahren ist Plattenhardt
unsere 21. Wohnung. Nur dieser letzte Wohnungswechsel erfolgte völlig
freiwillig. In 4 Fällen war er beruflich bedingt, alle anderen Umzüge
waren erzwungen. Doch konnte ich dankbar feststellen: Als die 2.
politische Verfolgung vor Weihnachten 1941 einsetzte, hatten sich die
Spuren der 1. bereits verwischt. Und unsere Ausbombung 1943 in Leipzig
hatte zur folge, dass wir nach dem Zusammenbruch nicht in Leipzig,
sondern in Westdeutschland waren, so dass auch über unser Wohnungsnöte
eine gnädige Hand waltete. Sie ergeben wirklich einen „Roman, den das
Leben schrieb.“ Hier das Gerippe:
01.11.30 - 31.03.31 Göttingen
Anschließend Selbständigmachung in:
01.04.31 - 31.12.34 Korbach
Geschäftsaufgabe wegen politischer Verfolgung
01.01.35 - 31.03.35 Korbach
kleine Notwohnung - dann Neuanfang in:
01.04.35 - 30.09.36 Leipzig
Hospitalstr.32
Kündigung wegen Ruhestörung
durch unsere Kinder
01.10.36 - 30.11.37
Großstädteln Kr.Leipzig
Berufung in den Martin
Luther-Verlag
01.12.37 - 30.04.38 Erlangen
Goethestr.4
Rückkehr nach Leipzig,da
genannter Verlag verkauft wurde
01.05.38 - 15.08.38 Leipzig
Salomonstr.11 nach dem Einzug Verkauf des Hauses
16.08.38 - 15.10.41 Naunhof
Bez.Leipzig Rückkehr nach Leipzig wegen
Arbeitsüberlastung durch
tägl.Fahrten+ Mitarbeitermangel
16.10.41 - 04.12.43 Leipzig
Gellertstr.5 ausgebombt + evakuiert nach
05.12.43 - 28.02.45 Eichwald
Kr. Teplitz-Schönau CSR von hier Fluch nach
04.03.45 - 30.04.45 Korbach
Laakerweg 17 elterliches Haus,
dann eigene Wohnung
01.05.45 - 04.07.45 Korbach
Philosophenweg 10 Beschlagnahme von Amerikanern
07.07.45 - 15.11.45 Korbach
Petershof von hier als Schulleiter nach
16.11.45 - 31.08.47
Schwalefeld-Waldeck dann Wiederaufnahme buchhän. Arbeit
01.09.47 - 31.03.48 Korbach
Ensinger Str. 3 bis dahin hatte die Familie
in 2 Orten und 3 Wohnungen
gelebt, jetzt wiedervereint
01.04.48 - 04.04.50 Korbach
Bahnhofstr. 6 anschließend Übersiedlung nach
05.04.50 - 10.05.50 Stuttgart
Johannesstr. 23
„Fußfassendes“
Provisorium nur 33 qm
21.05.50 - 30.06.52 Stuttgart
Johannesstr. 11 Druckereikeller gekündigt nach
Aufhebung des Mietvertrages
für gewerbliche Räume
01.07.52 - 30.06.55 Stuttgart
Weilimdorf Ludmannstr.
ab 01.05.55 Plattenhardt
Diese Wohnungen betreffen nur
meine Frau und die jeweiligen Kinder.
Meine eigene Odyssee ist
wesentlicher umfangreicher - auch außerhalb der Militärzeit
1955 01.10 Nr.9
Seite 242 Abbildung: Ein im Baum hängendes
Pin-up-Girl bietet einem Mann einen Apfel an.
Streitthema: Drei in einem Heft vom
Bertelsmann-Verlag
Sehr ausführliche, detaillierte Begründung für die
unzweideutige Darstellung und Deutung diese Bildes RH
1956 01.02. Nr.1
Auseinandersetzung - Bertelsmann – Heesen
Vereinigung evg. Buchhändler e.V.in Stuttgart
9.1.1956 10 Std. Sitzung
S1 --> Text der
Verhandungsergebnisse: Bücherbrief 1/1956
In der
kirchlichen Öffentlichkeit sind 2 offen Briefe des Buchhaändlers Rudolf
Heesen in Stuttgart Plattenhardt verbreitet worden, die sich gegen den
Verlag C.Bertelsmann in Gütersloh richten. Zur Schlichtung der daraus
entstandenne Differenzen haben beide Seiten die Vereinigung
Evangelischer Buchhändler als die zuständige Organisation angerufen. Am
9.1.1956 hat in Stuttgart vor dem Ältestenrat der Verenigung
evangelischer Buchhändler eine Schlichtungsverhandlung stattgefunden.
S1-3 -->
Wortlaut der Schlichtungsverhandlungen
S3 --> Ich habe in Leipzig vor
der Kristallnacht 1938 an bis über die Schließung meiner Buchhandlung
durch die Gestapo und über meine Flucht vor dem KZ im Januar 1942 hinaus
Verfolgte des Dritten Reiches illegal beschäftigt, darunter den
jüd. ehemaligen Staatsanwalt D. (jetzt wieder Staatsanwalt in
Leipzig) und bin Inhaber des amtlichen Sonderausweises für
politisch, rassische und religiös Verfolgte.
S6 -S7 Evangelische
Buchhilfe = EB e.V.
„Die Güte von
Herrn Heesen stellt uns diese Seite (in diesem Bücherbrief zur
Verfügung) zur Verfügung.“
S11 Buchbesprechung:
Elisabeth Dreisbach: „Heilige Schranken“
1956 01.05.
Nr.2
Stuttgart
Plattenhardt
S26 Kiriath Yearim:
So wichtig und richtig das Stuttgarter Schulbekenntnis (1945) und das
Wort der Synode von Berlin-Weißenee (1950) über unsere Schuld an Israel
auch war, so dürfte es doch nicht bei einer Deklamation von Worten zur
Schuld bleiben. Um an einer Stelle Buße zu tun, hat sich im Anschluss an
den Stuttgarter Kirchentag (1952) ein Freundeskreis des schweizer
Kinderdorfs Kiriath Yearim gebildet. In diesem Kinderdorf werden z.Zt.
72 Kinder, die durch Verfolgung seelisch und körperliche besonders
gelitten haben, vorbildlich betreut und erzogen. Der schöne Anfang des
gebildeten Freundeskreises dieses praktischen Dienstes an Israel ...
S50-56
Auseinandersetzung: Sonntagsblatt - Hampe - Gärtner - Heesen
956 01.06.
Nr.3
1100
gelesene Bücher in Kurzberichten
Christlich
kommt von Christus und evangelisch von Evangelium. Für die christliche
Bewertung genügen also religiöse oder ethische Tendenzen oder Inhalte
nicht. Die literarische Beurteilung erfolgt ausschließlich unter dem
Gesichtspunkt, ob es dem Verfasser gelungen ist, ihre christliche
Absicht auch entsprechend einzukleiden.
Wenn ich ein
Buch von B.Schmidt Eller als literarisch gut bezeichne, so will ich sie
damit nicht auf die gleiche Stufe Stellen wie etwa Goethe, C.F. Meyer
oder ähliche!
1956 01.09.
Nr.4
Wer soll die Kalender
unter die Leute bringen?
Im Dritten
Reich blieb nach den Bestimmungen der RSK (Reichsschriftentumkammer) nur
der Pfarrer übrig. Trotz arischer Großmütter und trotz Kirchenkampf
haben damals die Pfarrer die Gesamtauflage aller christlichen Kalender
fast verdoppelt.
1956 20.11.
Nr.5
Auflistung der 1100 gelesenen Bücher nach
Fachgebieten
Rudolf Heesen
Stuttgart - Plattenhardt
Wir grüßen
unsere Freude und Kunden RH + HH + / Kinder
Unvergessliche
Bilder von Karl Kühnle
Register der
im Evgl. Bücherbrief vom 1.6.1956 verzeichneten und von mir gelesenen
1100 Bücher
1964 12.06.
Nachruf:
Die Wartburg
Mitteilungen des Wartburg-Kartells
Evang.-Akadem. Verbindungen
------------------------------------------------------------ -----------
4. Jahrgang, Nr.
1 Hannover Dezember
1964
--------------------------------------------------------------------
-----------
Aus alledem ergibt sich,
dass ein Christenmensch lebt
nicht in sich selbst,
sondern Christo und seinem
Nächsten:
in Christo durch den Glauben,
im Nächsten durch die Liebe.
Martin Luther
(Von der Freiheit eines
Christenmenschen.)
Rudolf Heesen
19o5 bis 1964
Am 28. Februar 1905 wurde Rudolf
Heesen in Aachen geboren. Von 1923 bis 1927 studierte er in Bethel, Bonn
und Leipzig Theologie. In Leipzig ging er zum Evangelischen Buchhandel
über und war zunächst bei J. F. Steinkopf, später bei
Vandenhoeck und
Ruprecht in Göttingen tätig.
Nach seiner Heirat 1930 übernahm er
1931 in Korbach/Hessen eine Buchhandlung. Nach der Machtübernahme geriet
er recht bald in scharfen Gegensatz zum Nationalsozialismus und wurde
ein Vorkämpfer der bekennenden Kirche in Waldeck. Seine flammenden
Proteste gegen die Judenhetze führten zum Boykott durch die NSDAP und
damit zum Verlust seiner Existenz. Unter fluchtartigen Umständen verließ
er Korbach.
1935 gründete er in Leipzig die
"Fachbuchhandlung für evangelische Theologie". Er begann mit der
Herausgabe der "Evang. Bildblätter" für den Kindergottesdienst. Wiederum
geriet er durch seinen aktiven Einsatz für die Verfolgten des damaligen
Regimes, die hungernden Juden und die "Bekennende Kirche" in den
Gegensatz zur Partei und Reichsschrifttumskammer. Nur durch seine
freiwillige Meldung zum Kriegsdienst entging er der drohenden
Verhaftung. Seine Buchhandlung wurde geschlossen.
Nach 1945 begann er ein drittes Mal,
nun in Stuttgart, mit einer "Evangelischen Buchhandlung". Seinen
Bücherbrief mit kurzen, sachlichen Bemerkungen zu allen Neuerscheinungen
versandte er an alle evangelischen Geistlichen Deutschlands. Dadurch
wurde er bekannt und beliebt. Aber sein Herz war müde geworden.
1960 übergab er seinen beiden
ältesten Söhnen seine Buchhandlung, die sie in Plattenhardt/Württemberg
in seinem Geiste weiterführen. Er selbst zog sich in die Pfalz zurück.
Am 12. Juni 1964 wurde er aus diesem Leben abberufen.
In der Rheinmark in Bonn war er
aktiv geworden. In Leipzig und Göttingen war er ein tätiger
Bundesbruder, immer bestrebt die Ziele seines Bundes und seines Kartells
zu fördern. Dieses Interesse hat er im gleichen Maße auf die neuen Ziele
des Wartburg-Kartells übertragen. So ist er auch der Aktivitas kein
Unbekannter geblieben. Sein Leben ist uns Vorbild und Auftrag.
w. B o r e e
(Coburgia Göttingen)
2010 12.04. Nachtrag von
Gerhard Heesen:
Nachforschungsauftrag nach dem versteckten jüdischen Mitbürger
Gerhard und
Ingrid Heesen Kirchheimer Str. 30 73257 Köngen
Tel.
07024/81931 www.gerhard.heesen@web.de
Mitglied Nr.
206832 beim DRK Esslingen bei Stuttgart
An das
12.4.2010
Comite
international
de la Croix-Rouge GEN/ARCH 19,avenue de la Paix 1202 Geneve SCHWEIZ
Sehr geehrte Mitarbeiter des
Internationalen Roten Kreuzes!
Heute trete
ich mit einer ganz besonderen Bitte an Sie heran:
Ich möchte in Erfahrung
bringen, welchem jüdischen Mitbürger mein
Vater
Rudolf Heesen von ca. 1938 - 1943 durch ein Versteck in der
Gellertst.5 in Leipzig das
Leben gerettet hat. Dieser Mann war bei
ihm illegal beschäftigt und
daher nirgendwo registriert.
Hinweis: Er
hatte über den Suchdienst des DRK ein Dankschreiben an
meinen Vater geschickt,
welches leider verloren gegangen
ist.
Nachtrag vom 12.4.2010:
(Diesen
Nachtrag haben die beiden ersten Anlaufadressen -
siehe Seite 4
- leider nicht erhalten, da mir das
Folgende erst später in
Erinnerung kam.)
Inzwischen habe ich in alten
Unterlagen meines Vaters
nachgeforscht,
ob ich einen Hinweis in dieser Sache
finde. Dabei hatte ich einen
kleinen Erfolg:
"In seinem 1.
Bücherbrief nach dem Krieg, der am 15.
Dezember 1947 erschien, entdeckte
ich einen Hinweis auf
die Beschäftigung eines
"Volljuden", den er seit 1938 in
seiner Buchhandlung in Leipzig
beschäftigt hatte.
Da es verständlicherweise fast
unmöglich ist, einen
Menschen ohne
Namensnennung usw. zu finden, fiel mir beim
Lesen dieser oberen Zeile spontan
ein Name ein, den ich
als Kind öfters in unserer
Familie gehört habe. Der Name
ist dem Klang nach: "Tibo".
Die genaue Schreibweise kenne
ich leider nicht, er könnte sich
vielleicht so schreiben:
Thibo oder
Tibo also jeweils ohne "h"
Thiboh Tiboh
Thibau Tibau
Thibaut Tibaut
(Thibault, wie ich später herausfand)
(evgl.
Bücherbrief 28.2.1939 + 31.1.1940)
Bedauerlicherweise sind mir so
gut wie keine weiteren Fakten bekannt. Daher berichte ich erst einmal,
was ich sonst noch weiß:
Zunächst ein paar Angaben zu
meiner Person:
Ich wurde am 4.2.1936 als 4. von
später 8 Kindern in Leipzig geboren. Wir wohnten in der Gellertstraße 5.
In diesem Haus hatten meine Eltern in einem für mich nicht bekannten
Zeitraum einen jüdischen Mann in seiner Bibliothek für altertümliche
Literatur versteckt. Dieser Raum war mit einer Schranktür verschlossen,
so ähnlich wie das Versteck von Anne Frank in Amsterdam.
Wir Kinder durften vorher diesen
Raum normaler Weise betreten. Eines Tages sagte mein Vater: "So, Kinder,
schaut euch nochmals die schönen alten Bücher an. Ich werde jetzt den
Raum verschließen, damit ihr auf keinen Fall mal ein Buch herausnehmen
könnt." Wir Kinder hatten jedoch keine Ahnung über den wahren Grund
dieser Handlung. Erst nach dem Krieg erzählten uns die Eltern das
Geheimnis. Wir waren stolz, dass unsere Eltern so mutig waren und sich
selbst und unser Leben riskiert hatten. Dass wir von unseren knappen
Lebensmittelkarten auch noch diesen in Todesnot befindlichen Mann
versorgten, beglückte uns erst nachträglich.
Dann
vernichtete am 4.12.1943 ein Bombenangriff unser Haus. Weder meine
Mutter noch die 2 "Pflichtjahrmädchen" noch die Kinder haben diesen Mann
bei all dem Durcheinander aus dem brennenden Haus flüchten sehen!
1947 eröffnete mein Vater wieder
seine Versandbuchhandlung, diesmal in Korbach Kreis Waldeck -
Nordhessen. Ca. 1951 zogen wir um nach Stuttgart, Johannesstraße 23,
später in die Ludmannstraße in Stuttgart- Weil im Dorf, später nach
Plattenhardt auf den Fildern.
Irgendwann erhielten meine
Eltern eine Nachricht von diesem für uns namenlosen Mann. Er hatte die
Adresse meiner Eltern über den Suchdienst des internationalen Roten
Kreuzes erfragen können. Er bedankte sich auf's Herzlichste, dass meine
Eltern so viel Mut und Liebe eingesetzt hatten, und ihn vor den Nazis
geschützt hatten.
Leider ist dieser Brief verloren
gegangen, denn meine Eltern haben infolge des Krieges und der
Nachkriegswirren und der großen Kinderschar in ihrem Leben 23! mal die
Wohnung wechseln müssen. Zu Lebzeiten meiner Eltern hat sich leider
keines der Geschwister die Mühe gemacht, Nachforschungen anzustellen.
Jetzt ist das DRK unsere letzte Hoffnung, etwas in Erfahrung zu bringen.
Nun zu meinem
Vater:
Mein Vater - Rudolf Heesen -
geboren 28.02.1905 in Aachen
(gestorben
12.06.1964 in St.Martin / Pfalz)
eröffnete 1935 in Leipzig eine
Versandbuchhandlung für evangelische Theologie. Er gab ohne
Genehmigung der Reichsschriftentumkammer seinen "Monatsbrief" heraus, in
dem er seinen Kunden im gesamten damaligen Deutschen Reichsgebiet die
wichtigsten Neuerscheinungen vorstellte, die teilweise durch
vertrauliche Verbindungen, die bereits weit vor Kriegsausbruch geknüpft
worden waren. (Er war auch Mitglied im Wartburgbund - einer
theologischen Widerstandsgruppe)
Um die Jahreswende 1941/42
erfolgte der Zugriff durch die Gestapo. Das Geschäft wurde geschlossen.
Mein Vater konnte sich aber noch rechtzeitig dem KZ entziehen, da er bei
der Wehrmacht als begehrter Dolmetscher für holländische
"Kriegsgefangene" bzw. "Internierte" bei der Wehrmacht eingesetzt wurde.
(Er war holländischer Abstammung und beherrschte 7 Sprachen) Meine
Mutter - Hildegard von Treskow - wohnte weiterhin bis zum Totalverlust
des Hauses beim Bombenangriff am 4.12.1943 in Leipzig in der Gellertstr.
5
Durch das vorbildliche Verhalten
meiner Eltern hatten wir Kinder eine positive Einstellung zum jüdischen
Volk. Meine besondere Vorliebe gilt den sehr informativen und
künstlerisch interessanten Briefmarken dieses Landes. Ich beziehe diese
postfrisch aus Israel.
Nun hoffe ich, dass Sie mit den
paar Angaben etwas herauspicken können, um unseren Wunsch zu erfüllen.
Uns ist klar, dass dieser Mann
nicht mehr lebt, aber er war vielleicht verheiratet und hat Kinder, die
ca. um die 75 alt sein könnten oder sogar Enkel. Dies tiefgründiger zu
erforschen wäre eventuell ein weiterer möglicher Schritt. Denn gerne
würden wir mehr über sein weiteres Leben nach der vermutlichen Flucht
aus Deutschland usw. erfahren. Sie sehen also, welche Motive uns
bewegen.
Vielleicht führen Ihre Bemühungen
rasch zum Erfolg, denn es könnte sein, dass Sie unter dem Namen "Rudolf
Heesen" einen Hinweis zum Erfolg finden. (Der Firmenname wird
von unserer Schwägerin, Neffen und Nichte Heesen unter "Buchhandlung
Heesen - Freudenstadt" weitergeführt, aber da sind kein Informationen in
unserem Sinne zu finden.)
Hinweis: 1. Meine
erste Anlaufadresse war:
DRK Suchdienst München
Zentrale Auskunfts- und
Dokumentationsstelle
Chiemgaustr.
109
D-81549
München
Tel
089/680773-0
Leider hatte ich den eventuellen
Namen "Tibo" noch nicht
erwähnt, siehe meine Erklärung
auf Seite 1 - oben
Diese Leute
konnten mir aber leider nicht weiterhelfen.
Ich wurde dann
vermittelt nach:
2. ITS Internationale
Suchdienst
Postfach 1410
D - 34444 Bad Arolsen
Diese
antworteten mir am 30.3.2010 mit dem
Aktenzeichen
(26.03.2010)-028 RF
Leider hatte ich den eventuellen
Namen "Tibo" noch nicht
erwähnt, siehe meine Erklärung
auf Seite 1 - oben
Leider hatten
sie auch keinen Erfolg
Sie empfahlen
mich nun weiter an Sie - in der Schweiz
Hier der Kopf
seines monatlich erschienenen Bücherbriefes, in dem ich den Hinweis auf
den jüdischen Mitarbeiter meines Vaters fand. Ob das der "versteckte"
Jude war, weis ich nicht.
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