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Lexikon
der Religionspädagogik, Neukirchener
Verlagshaus |
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Norbert / Folkert Mette / Rickers
Lexikon der Religionspädagogik Buch
Neukirchener Verlag, 2000, 2336 Seiten, 2 Bände, Gebunden,
978-3-7887-1745-2
160,00 EUR
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Das erste Werk dieser Art. Annähernd 800
Stichworte, verfasst von etwa 400 namhaften Autorinnen und Autoren,
vermitteln umfassendes religionspädagogisches Wissen, führen kompetent
in die behandelten Themen ein und schaffen die Grundlage für eine
eigenständige Weiterarbeit am Thema. |
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Norbert Mette /
Folkert Rickers
Lexikon der Religionspädagogik Buch + CD-ROM
Neukirchener Verlag, 2007, 1183 Seiten, 2 Bände +
CD-ROM, Studienausgabe,
978-3-7887-2153-4 vergriffen, nicht mehr lieferbar
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In diesem Lexikon führen etwa 400
namhafte Autorinnen und Autoren in die wichtigen Themen
der Religionspädagogik ein. In mehr als 700 Artikeln
werden alle wichtigen Fachbegriffe sachkundig erklärt
und ein kompaktes Überblickswissen auf neuestem
wissenschaftlichen Stand präsentiert. Das Werk eignet
sich für Studierende zur Anfertigung von Referaten und
Seminararbeiten sowie zur erfolgreichen
Examensvorbereitung. Für Religionslehrerinnen und
-lehrer vermittelt die Praxisnähe vieler Artikel Impulse
für die eigene Unterrichtsgestaltung, die durch
ausgewählte Literaturempfehlungen unterstützt wird. Die
CD-Rom ermöglicht ein komfortables Suchen innerhalb der
Fülle von Sachinformationen. |
Vorwort der Herausgeber
1 Religionspädagogik am Ende ihres ersten
Jahrhunderts
Es ist gerade ein Jahrhundert her, dass sich die
Religionspädagogik als wissenschaftliche Disziplin begründet und
entwickelt hat. In der Wissenschaftsgeschichte ist sie also eine
durchaus junge Erscheinung. Das mag verwundern. Denn das Nachdenken über
die Möglichkeiten religiöser Erziehung reicht Jahrhunderte zurück.
Religiöse Erziehung gehört mehr als jede andere Sparte der Didaktik zu
den Grundelementen von Erziehung überhaupt. Und das gilt praktisch für
alle Kulturen der Welt. Religiöse Erziehung ist auf das Engste verbunden
mit der Entwicklung von Kultur und der Selbstverständigung des Menschen
über sich selbst und seine gesellschaftlichen Gegebenheiten. In der
Schulgeschichte der Neuzeit nehmen religiöse Unterweisung und
Religionsunterricht den ersten Rang ein. Nach Meinung der Reformatoren
sollten auch der gemeine Mann und die gemeine Frau Lesen und Schreiben
lernen, damit sie in der Lage wären, sich selbstständig ihres Heils im
Wort Gottes, der Bibel, zu vergewissern. Der RU war das erste Schulfach
der Neuzeit und blieb es für Jahrhunderte. In vielen Landstrichen
Deutschland war es noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
üblich, dass jeder Schultag mit einer Religionsstunde begann. In den
Zeugnisformularen stand - und steht - das Fach meistens an der ersten
Stelle.
In den ersten Jahrhunderten neueren Nachdenkens über die
religiöse Erziehung ging es fast ausschließlich um die methodische
Reflexion ganz bestimmter durch Tradition, örtliche und zeitliche
Verhältnisse berücksichtigende, festgelegte Inhalte: Bekenntnisformeln,
Katechismen, biblische Geschichten, liturgische Elemente (Psalmen,
Choräle, Gebete) und deren gedächtnismäßige Einprägung oder auch schon
um Elemente natürlicher Religion, dem Staunen über die Wunderwelt der
Schöpfung Gottes, vernünftige Gotteserkenntnis oder moralische
Erziehung. Dennoch wurde ein grundsätzlich neuer Ansatz darin gefunden,
dass um die Jahrhundertwende das Kind und der Jugendliche zum beachteten
und auch wissenschaftlicher Analyse zugänglichen Faktor der Reflexion
über religiöse Erziehung werden. Dieser historische Einschnitt steht
unter der grundlegenden Einsicht, dass es nicht mehr reicht, Inhalte in
der religiösen Erziehung weiterzugeben und dafür das geeignete
methodische Instrumentarium (in der Regel das der gedächtnismäßigen
Aneignung) zu finden. Man wollte nun auch auf die konkrete Situation der
Kinder und Jugendlichen eingehen und sie so sachkundig wie möglich
einzuschätzen versuchen, um das Ziel religiöser Erziehung nicht zu
verfehlen: nämlich dass Menschen in der Religion aus eigener Überzeugung
wichtige Ansätze für das Selbstverständnis und die Gestaltung ihres
Lebens finden können. Dabei stand schon am Anfang des 20. Jahrhunderts
die Erkenntnis ahnungsweise zur Verfügung, dass es eine massenhafte
Abkehr vom traditionellen Christentum geben würde, wie sie insbesondere
bei der Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert bereits stattgefunden hatte.
Und zunehmende Distanz zur vorherrschenden bürgerlichen Religion unter
den Arbeitern war auch nicht länger mehr eine Domäne einzelner
Intellektueller u. Freigeister im Sog der Aufklärung. Mehr und mehr
wurde sie praktisch jedem möglich, besonders nach Aufhebung des
Staatskirchentums durch die Weimarer Reichsverfassung sowie im Zuge der
rapiden Säkularisierung der Gesellschaft.
Es galt also, bei den
Überlegungen über religiöse (christliche) Erziehung neu zu
berücksichtigen, dass bei einem Großteil der Jugendlichen, denen die
religiöse Ansprache galt, nicht nur die primäre religiöse Sozialisation
fehlte, d.h. sie waren kaum noch religiös eingeübt, sondern auch - bei
formaler Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft - das innere,
existenzbezogene Interesse für Religion.
Diese Hinwendung zum
Kind und Jugendlichen in den Überlegungen zur religiösen Erziehung war
markiert durch bestimmte zeitgeschichtliche Ereignisse um die
Jahrhundertwende und darüber hinaus:
(1) Gegen Ende des 19.
Jahrhunderts taucht zum ersten Mal der Begriff "Religionspädagogik"
(vgl. Art. ®RP 1) auf, der nach und nach - zuerst in der
protestantischen Tradition, etwas zeitversetzt dann auch in der
katholischen - den herkömmlichen Terminus ®Katechetik ablöst.
"Religionspädagogik" umschreibt das Terrain der christlichen Erziehung -
aufklärerische Traditionen einbeziehend - umfassender, indem sie
Phänomene aufnimmt wie z.B. Religion, die jedem Menschen (angeblich)
gleichsam von Natur aus eignet, speziell die "Religion des Kindes"
(®Kabisch), oder auch inhaltliche Anleihen macht bei anderen Religionen;
d.h. das Christentum wird nicht mehr allein als die allen anderen
Religionen schlechthin überlegene Religion angesehen. Mit der Behauptung
einer natürlichen, jedem Menschen eigenen Religion wird zugleich eine
behutsame bis programmatische Abkehr der religiösen Erziehung von der
Kirche eingeleitet (®Zwickauer Thesen).
(2) Die prozesshaft
verlaufende Mutation der Katechetik zur Religionspädagogik um die
Jahrhundertwende fügt sich allgemeinpädagogisch gesehen ein in das von
Ellen Key ausgerufene "Jahrhundert des Kindes". Genau dem hat die
Religionspädagogik auf vielfältige Art und Weise zu entsprechen
versucht. Es ist auch ein religionspädagogisches Jahrhundert (des Kindes
bzw. des Jugendlichen) geworden, und zwar in einer überraschenden Weise,
verbunden vor allem mit der reformpädagogischen Bewegung. Zwar hat es
auf evangelischer Seite noch einmal einen restaurativen Zwischenschritt
gegeben mit der Zeit der ®Ev. Unterweisung (1945-1960), der so exklusiv
am Inhalt orientiert war, dass über die Kinder und Jugendlichen wenig
mehr gesagt werden konnte, als dass sie des Heils bedürftige Sünder
sind. Diese restaurative Zeit, die mit der konstitutiven Bindung der
Religionspädagogik an die Kirche dem von Otto Dibelius proklamierten
"Jahrhundert der Kirche" inhaltlich korrespondierte, hat der
Religionspädagogik leider eine schwere und immer noch schwer zu
bewältigende Hypothek hinterlassen. Alle Vorurteile gegen den RU,
berechtigte wie vermeintliche, leiten sich von der Ev. Unterweisung ab.
Dass es in ihr entgegen der bereits errungenen pädagogischen
Möglichkeiten zu einer programmatischen "Verleugnung des Kindes" (Werner
Loch, Essen 1964) kam, lässt sich leider nicht bestreiten.
Mit
Überwindung dieses Konzepts in der Theorie - und manchmal auch in der
Praxis - seit etwa 1960 zeigt sich dann in der Religionspädagogik der
Ansatz einer Entwicklung, die in überzeugender Weise dem pädagogischen
Anspruch des 20. Jahrhunderts gerecht geworden ist.
Im
katholischen Raum bedurfte es erheblicher Anstrengungen, aus dem Diktat
der Neuscholastik auszubrechen und zu einer "anthropologisch gewendeten"
Religionspädagogik zu finden. Inzwischen ist diese Entwicklung, den
konkreten Menschen in den Mittelpunkt religiöser Erziehungs- und
Bildungsprozesse zu rücken, konsequent vorangetrieben worden und kann
nicht mehr zurückgedreht werden, auch wenn dies bestimmte Kräfte in der
katholischen Kirche möchten.
(3) Der Wechsel von der rein
inhaltlich bezogenen Katechetik zur schülerorientierten
Religionspädagogik kann am besten an einem der Hauptkonflikte studiert
werden, nämlich der Katechismusfragen. Insbesondere die Lehrer/innen
aller Schulsparten forderten energisch die Verbannung des Katechismus,
weil dem Verständnis der Schüler/innen weithin völlig verschlossen, aus
den Schulen zugunsten authentischer Wahrnehmung von Religion in den
biblischen Traditionen und in der menschlichen Natur.
(4) In
wissenschaftstheoretischer Hinsicht korrespondiert dem eine erste und
noch sehr behutsame Hinwendung der Religionspädagogik zu einer
"empirischen" Disziplin. Das ist in einem doppelten Sinne zu verstehen.
Zum einen beginnt die Religionspädagogik tatsächlich, ihr Terrain mit
modernen statistischen Erhebungen zu erkunden. Erforscht werden z.B. die
Beliebtheit der schulischen Fächer, bei denen der RU fast ausnahmslos
geradezu verheerend abschneidet - wie im übrigen auch der
Musikunterricht. Aber solche Ergebnisse haben darin ihren positiven
Effekt, dass sie für Religionspädagogen/innen die Frage unausweichlich
gemacht haben, was man tun muss, um Kindern und Jugendlichen einen
gleichermaßen rationalen wie emotionalen Zugang zur Welt der Religion zu
ermöglichen. Zum anderen wandte man sich unter dem Begriff "Psychologie"
bzw. auch "Religionspsychologie" der tatsächlichen Situation der Kinder
und Jugendlichen zu, versuchte etwa die "Religion des Kindes" zu
ermitteln o. Genaueres über die "religiöse Anlage" des Menschen
herauszufinden. Aber es gab auch erste Untersuchungen über die
tatsächlichen religiösen Einstellungen der Jugendlichen, speziell der
besonders problematischen Gruppe der proletarischen Jugend. Um "exaktes
Material" war Günther Dehn Anfang der 20er Jahre bemüht: "Was steckt nun
eigentlich in unserer 14- bis 18jährigen Volksjugend ... die meist acht
Jahre hindurch den Religionsunterricht besucht hat, die fast ausnahmslos
auch den kirchlichen Vorbereitungsunterricht mit Einsegnung oder
Erstkommunion erhalten hat, was steckt in ihr drin an religiösen
Begriffen und Gedanken, an Vorstellungen von Kirche und Pfarramt, an
eigener Frömmigkeit und Glaubenskraft?" (Die religiöse Gedankenwelt der
Proletarierjugend, Leipzig 1923). 3600 Berliner Schüler/innen wurden
entweder mündlich oder schriftlich befragt.
(5) Zur Realisierung
des anthropologischen und empirischen Zugangs wandte sich auch die
Religionspädagogik in vielfacher Weise der Reformpädagogik zu. Zwar
blieb sie dabei z.T. auch in deren völkischen Fußangeln hängen. Vor
allem aber schuf sie Raum für die Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit und
die Selbsterkenntnis des Kindes und des Jugendlichen - eine Forderung,
die bis heute nicht verstummt ist, ja in der zweiten Hälfte dieses
Jahrhunderts mit der religionspädagogischen Hinwendung zur
"®Schülerorientierung" und zu emanzipatorisch orientierten
Bildungsvorstellungen einen ganz neuen Klang bekommen hat. Es ist kein
Zufall, dass die Erforschung der Reformpädagogik in der
Religionspädagogik des vergangenen Jahrzehnts einen besonderen
Stellenwert erhalten hat.
(6) Schließlich wurde mit dem Konzept
des ®Problemorientierten RU Ende der 60er Jahre des abgelaufenen
Jahrhunderts eine geradezu historische Wende vollzogen, indem in allen
Religionspädagogik-Entwürfen seitdem Konsens darin erzielt wurde, dass
keine religiösen Erziehungsziele Zukunft haben werden, die sich nicht in
irgendeiner Weise an der konkreten Situation der Jugendlichen
orientieren. Die Lebenswelt/-praxis der Jugendlichen - inzwischen
bereits ein geflügelter Begriff - bzw. von Menschen der Gesellschaft
wurde damit in umfassender Weise thematisiert. Für eine
Religionspädagogik mit wissenschaftlichem Anspruch wurde es damit
notwendig, sich auch auf solche Wissenschaften zu beziehen, die eine
genauere Kenntnis dieser Lebenswelt ermitteln und zur Verfügung stellen
können: die Humanwissenschaften. Auf jeden Fall hat die Theologie ihre
einst exklusive Position als alleinige Bezugwissenschaft in der
Religionspädagogik verloren. Das kann und soll allerdings nicht heißen,
dass nunmehr die "Empirie" zur normativen Instanz der Religionspädagogik
erhoben wird. Erforderlich ist vielmehr, die bestehende Spannung
zwischen Faktischem und Normativen nicht einseitig aufzulösen, sondern
gerade in ihrer Spannung einander zuzuordnen. In diesem Prozess entsteht
für beide Pole ein "Gewinn": für die als normativ geltende Tradition
etwa in der Weise, dass sie zu ihrem eigenen Verständnis die ihr
zugrunde liegenden Erfahrungen rekonstruiert, für die empirische
Faktizität, dass sie sich der bewusst oder unbewusst in sie
eingegangenen normativen "Vorurteile"kritisch vergewissert.
(7)
Die Religionspädagogik hat aber auch in anderer Hinsicht eine
Erweiterung ihrer Konzeption erfahren. Wurde lange Zeit hinweg diese
Disziplin mit "Theorie und Didaktik des RU" gleichgesetzt, so wurde im
Zuge der Einsicht, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist, bewusst,
dass dieses auch für das religiöse Lernen gilt. Religionspädagogik
umfasst demnach auch den gesamten Bereich der Erwachsenenbildung - wobei
man allerdings statt von Religionspädagogik von Religionsagogik sprechen
sollte. Hinzu kam, dass erkannt wurde, dass Religionspädagogik sich
nicht allein auf die Schule als Ort religiöser Lernprozesse beziehen
kann. Nicht zuletzt die Erfahrungen in der nationalsozialistischen Zeit
und in der Zeit des real existierenden Sozialismus wirkten darin nach.
Relevante Orte sind natürlich auch außerschulische pädagogische Ebenen:
die christlichen Gemeinden mit Jugendarbeit, Kindergottesdienst,
Jugendarbeit, Erwachsenenbildung etc., die eine erhebliche Ausweitung
des religionspädagogischen Forschungsfeldes mit sich brachten.
Damit hat sich die Religionspädagogik - programmatisch angelegt auf
interdisziplinäre Zusammenhänge - zu einer Art Verbundwissenschaft
entwickelt. Der Vorteil solcher neuen thematischen Zusammenschau wird
allerdings mit einem erheblichen Nachteil erkauft. Die
Religionspädagogik ist unübersichtlich geworden: Auch Fachleute sind
kaum noch in der Lage, das Feld wirklich zu überschauen. Sie mögen sich
vielleicht noch einigermaßen in Theologie und einem weiteren Fach
auskennen. Aber dann wird es schon schwierig. Das gilt noch mehr für die
Kolleg/innen in der pädagogischen Praxis. Mit dieser außerordentlich
kompliziert gewordenen Situation der Religionspädagogik mag es
zusammenhängen, dass es so wenige Hilfsmittel gibt, die einen
Gesamtüberblick über die Disziplin ermöglichen. Es gibt zwar immer
wieder den Versuch, durch Handbücher und Kompendien einzelne Felder zu
systematisieren und zu bündeln und einen größeren Zusammenhang zu
bieten. Aber eine enzyklopädische Schau, die das Gesamt der
Religionspädagogik vor Augen führt und auch in Einzelheiten näher
bestimmt, hat es in ihrer hundertjährigen Geschichte bisher nicht
gegeben (anders in England und Italien; man beachte aber das sich
speziell an katholische Nutzer wendende Katechetische Wörterbuch oder
das Praktische Wörterbuch der Religionspädagogik und Katechetik; s.u.).
Insofern mag die Herausgabe eines Lexikons der Religionspädagogik
längst als überfällig empfunden werden. Und die Ankündigung seines
Erscheinens ist in Fachkreisen überall mit zum z.T. größter Zustimmung
und mit der Bereitschaft zur Mitarbeit aufgenommen worden. Allerdings
wurden auch Bedenken geäußert, vor allem, ob es wohl zum gegenwärtigen
Zeitpunkt schon möglich sei, eine derartige enzyklopädische Übersicht zu
schaffen.
2 Die Entwicklung einer Nomenklatur
Die
Herausgeber waren sich von vornherein der Schwierigkeit ihres
Unternehmens bewusst, meinten aber doch, den Schritt wagen zu sollen.
Denn schließlich stehen die Kolleg/innen in der Praxis täglich vor dem
Problem, thematische Zusammenhänge in mehreren Disziplinen verfolgen zu
müssen; und sie haben Anspruch auf Hilfsmittel, deren Bereitstellung
eine Aufgabe der wissenschaftlichen Religionspädagogik ist. Darüber
hinaus meinten die Herausgeber, selbst genügend interdisziplinäre
wissenschaftliche Erfahrung und eine gewisse Übersicht zu haben, um den
Versuch zu riskieren.
Die grundsätzliche Schwierigkeit bestand
zunächst darin, dass die Religionspädagogik über keine lexikografische
Tradition verfügt, an die man hätte anknüpfen können. Die genannten
Handbücher und Kompendien haben in der Bilanzierung der wichtigsten
didaktischen Begriffe zwar vorgearbeitet. Und diese Vorarbeit steckt
insofern schon einen gewissen Umriss dessen ab, was heute unter
Religionspädagogik verstanden werden soll. Aber sie bilden noch keine
Systematik, sondern setzten lediglich markante Punkte. Eine Systematik
steht für die Religionspädagogik derzeit nicht zur Verfügung. Und wegen
der oben kurz skizzierten Lage des Faches wird es sie auf absehbare Zeit
nicht geben. So blieb nur übrig, einen heuristischen Weg zu wählen und
dabei jene Begriffe, Ideen, Personen, Bewegungen und Ereignisse zu
sammeln, die in irgendeiner mehr oder weniger bedeutsamen Beziehung zur
Religionspädagogik stehen. Bei diesem Verfahren kann es nicht
ausbleiben, dass subjektive Bewertungen der Herausgeber bereits in die
Auswahl der Begriffe und ihre quantitativen Vorgaben mit einfließen. Und
manche Benutzer/in wird sich verwundert fragen, warum dieses oder jenes
Wort überhaupt aufgenommen worden ist, dazu in diesem oder jenem kaum zu
vertretenen Umfang. Andere werden vielleicht genau anders herum
votieren. Solchen Einwendungen werden wir nicht von vornherein
entgegentreten. Wir können nur versichern, dass wir uns bemüht haben,
möglichst viele in der Religionspädagogik verwendete Begriffe die ihnen
zukommende sachliche und darstellerische Bedeutung widerfahren zu
lassen. Dabei ließ sich ein gewisser Schematismus in der Festlegung des
Umfangs der Artikel natürlich nicht vermeiden. Unser Ziel war es dabei,
die Artikel überschaubar zu halten, und d.h. auch, sie strikt in ihrer
Länge zu begrenzen. Das Lexikon muss eine schnelle Orientierung
ermöglichen, zugleich jedoch gediegen im Informationsgehalt sein.
M.a.W.: Es muss die richtige Balance zwischen beiden Bestrebungen
gefunden werden. Ob uns das gelungen ist, muss der praktische Umgang mit
dem Lexikon erweisen. Nicht alle Autor/innen waren im übrigen davon zu
überzeugen, dass die Bedeutung der Artikel nicht von der Länge abhängt,
und auch nicht davon, dass in einem Artikel nicht unbedingt alles gesagt
werden muss. In solchen Fällen sind wir pragmatisch verfahren. Wo sich
aber Autor/innen auf Kürzungen eingelassen haben, ist meistens ein
besseres Ergebnis als in der ersten Fassung zustande gekommen.
3
Leitende Gesichtspunkte
Bei der Zusammenstellung der Nomenklatur
und der Ausarbeitung der Artikel sollten zwei Gesichtspunkte Programm
sein: Der ökumenische Ansatz war schon darin gegeben, dass wir uns als
Herausgeber als Vertreter je verschieden konfessioneller
Religionspädagogik zusammengefunden haben. Jeder monokonfessionelle
Ansatz hätte den Stand der Ökumene verraten, der erfreulicherweise in
unserer Disziplin inzwischen tatsächlich erreicht und Standard ist. Die
beiden Herausgeber kennen sich aus der jahrelangen Zusammenarbeit in der
Herausgebertätigkeit des Jahrbuchs der Religionspädagogik, das von
seinem ersten Band an auf ökumenische Orientierung Wert gelegt hat. Wir
reden nicht nur über Ökumene, wir praktizieren sie und haben dabei keine
Probleme. Wohl aber entdecken wir auf diese Weise erst die eigentlichen
Probleme, die heute nicht mehr konfessioneller Art sind. Bei der
Festlegung von Stichworten und Autor/innen haben wir uns - soweit wir
uns selber von konfessionellen Vorverständnissen freimachen konnten - an
der Sache orientiert und an der fachlichen Kompetenz der Autor/innen.
Die Forderung, die Artikel durchgehend ökumenisch zu konzipieren, ließ
sich allerdings nur bedingt realisieren. Sie hängt doch sehr von dem
jeweiligen ökumenischen Bewusstsein der jeweiligen Bearbeiter/innen ab.
Mancher Artikel wird katholischer oder evangelischer ausgefallen sein,
als es nötig gewesen wäre, mancher als zu leichtfertig ökumenisch.
Der andere Gesichtspunkt betrifft die interreligiöse Verständigung.
Sie hat in der Religionspädagogik noch keine wirkliche Tradition
gebildet wie z.B. das ökumenische Gespräch. Aber wir haben die ersten
Erfahrungen hier mit einfließen lassen, soweit sich geeignete
Autor/innen dafür finden ließen. In diesem Punkte liegt aber zweifellos
eine der Herausforderungen der nächsten Jahre. Und eine späteres
Lexikonauflage wird diesen Bereich viel intensiver berücksichtigen
müssen. Wohl aber sind wir uns dabei der Bedeutung anderer Religionen
für die Religionspädagogik bewusst geworden. Das hat sich bereits in der
Nomenklatur niedergeschlagen. Mit einer uns selbst überraschenden
Selbstverständlichkeit finden sich unter den Autor/innen auch jüdische
und islamische Fachleute. Im übrigen haben wir in der Entwicklung der
auf religionswissenschaftliche Sachverhalte bezogenen Nomenklatur Herrn
Kollegen Udo Tworuschka (Jena) zu danken, der solche Stichworte
angemahnt und uns beraten hat.
Daneben waren andere
Lerndimensionen wichtig wie die feministisch-theologische oder die
politische Bildung - Dimensionen also, die nicht nur als Artikel
erscheinen sollten, sondern gleichsam das ganze Lexikon durchdringen
sollten. Um es vorweg zu nehmen: Auch dieses Ziel haben wir erst in
Ansätzen erreicht. Manche Autor/innen lassen die feministische
Perspektive außer Acht oder finden keinen Zugang zum interreligösen
Zusammenhang. Am wenigsten haben sich die Autor/innen auf politische
Reflexion eingelassen. Man merkt auch daran: Es ist gegenwärtig nicht
die Zeit politischer Vergewisserung. Schade! Darin spiegelt sich auch
die Lage eines Faches, das um Integration der verschiedensten
Sichtweisen bemüht ist und geradezu bemüht sein muss, aber in dem das
integrative Wissenschaftskonzept noch nicht einfach Standard ist,
sondern ein Prozess, der fürs Erste programmatisch eröffnet ist. In der
gegenwärtigen Situation kommt es darauf an, den Spuren gelungener
Integration nachzugehen und sie weiterzuentwickeln. Darauf haben wir uns
konzentriert.
Schließlich ein letzter, aber der wichtigste, weil
programmtische Gesichtspunkt. Unser Ziel war es, eine wirklich
didaktische/religionsdidaktische Enzyklopädie zu schaffen. Dazu war es
nötig, nicht nur die unstrittig religionspädagogischen Schlagworte
aufzunehmen, sondern auch solchen, die theologischen, soziologischen,
psychologischen, religionswissenschaftlichen oder anderen Bereichen
eigen sind, die aber von Religionspädagog/innen als maßgeblich
herangezogen werden. Auch sie sollten, so die Grundidee der Herausgeber,
bereits aus der Sicht der Religionsdidaktik und nicht wie in anderen
Lexika rein fachlich präsentiert werden. Das war natürlich nur in dem
Maße möglich, wie die Religionspädagogik hier schon vorgearbeitet hat
und wieweit auch die Autor/innen religionsdidaktische Reflexion
betreiben. Die Ergebnisse sind deshalb sehr verschiedenen ausgefallen.
Im religionsdidaktischen Reflexionsgrad unterscheiden sich solche
Basisartikel erheblich. Gleichwohl hat sich diese Forderung an die
Autor/innen außerordentlich bewährt. Sie sollte in der Weiterarbeit am
Lexikon erhalten und intensiviert werden.
Es mag ungewöhnlich
sein, einem Lexikon eine konzeptionelle Idee zu unterlegen. Ein Lexikon
bilanziert ja eigentlich nur, was war. Mit der didaktischen Grundidee
kommt unverkennbar ein gewisses Zukunftselement hinein. Das ist
beabsichtigt. Insbesondere die Kolleg/innen in der unterrichtlichen
Praxis sollen nicht nur Sachverhalte nachschlagen können, sondern auch
den einen oder anderen Impuls erhalten, der im morgen stattfindenden
Unterricht hilfreich sein kann.
Im übrigen findet die Benutzer/in
Informationen, die er/sie von einer Disziplin erwarten kann, die sich
grundsätzlich den Humanwissenschaften geöffnet hat und Wert legt auf
ökumenische, interreligiöse, feministische und politische, ansatzweise
aber auch europäische und internationale Perspektiven. Nicht vergessen
werden sollte, dass wir uns im besonderen Maße bemüht haben, die
Geschichte unserer Disziplin zu erschließen. Dabei stellte sich heraus,
dass die Erforschung dieses Bereichs gar nicht so schlecht dasteht, wie
man gelegentlich angenommen hat. Insbesondere war uns daran gelegen, den
vielen Personen nachzugehen, die unser Fach geprägt oder auf es Einfluss
genommen haben. Hier ist noch manche Entdeckung zu machen. Im Vergleich
der beiden konfessionellen Richtungen der Religionspädagogik stellte
sich in überraschender Weise heraus, dass die Geschichte der
katholischen Religionspädagogik sehr viel weniger erforscht worden ist
und es für viele Namen nicht möglich war, kompetente Bearbeiter zu
finden. Wir haben uns deshalb damit beholfen, Redaktionsartikel zu
verfassen, die nicht namentlich gekennzeichnet sind. Die Namen und
näheren Angaben sind den großen Lexika entnommen.
Von Interesse
dürfte auch sein, dass in umfassender Weise alle alternativen Formen zum
konfessionellen Religionsunterricht lexikografisch erfasst worden sind,
auch in ihrer historischen Perspektive. Auch den Fachleuten dürfte in
der Regel unbekannt sein, dass solche Formen über eine mehr als
achtzigjährige Tradition verfügen.
Das Lexikon wendet sich an
alle, die mit religiöser Erziehung und Bildung sowie Religionspädagogik
zu tun haben. Das sind vor allem Lehrer/innen, wissenschaftlich
Arbeitende an den Hochschulen, Fachhochschulen und
Ausbildungsinstitutionen der zweiten Phase der Lehrerausbildung, an
Ausbildungsinstitutionen im kirchlichen Bereich, darüber hinaus auch die
im Feld der außerschulischen religiösen Erziehung Tätigen (kirchliche
Jugendarbeit, Gemeindekatechese bzw. -pädagogik) sowie haupt- und
nebenamtliche Mitarbeiter/innen im differenzierten Bereich der
Gemeindebildung. Aber wir denken auch an die vielen staatlichen und
kirchlichen Behörden, die mit der Regelung religiöser Erziehung und
religionspädagogischer Ausbildung beauftragt sind. Auch ihnen könnte das
Lexikon schnell ein unentbehrlicher Ratgeber werden. Die erste Idee aber
war, ein Hilfsmittel für Studierende der Religionspädagogik zu schaffen.
Deshalb wurde zwischen dem Verlag und den Herausgebern eine
entsprechende Preiskalkulation vereinbart, die nur möglich war, weil
Herausgeber und Autoren auf ein Honorar verzichtet haben. In
inhaltlicher wie in finanzieller Hinsicht ist das Lexikon deshalb als
ein Gemeinschaftswerk unserer Disziplin anzusehen.
Mit dem
Lexikon beabsichtigen wir auch einen religionspädagogischen Standard zu
setzen. Es soll die Anforderungen erhöhen, die heute an die
wissenschaftliche Disziplin gerichtet werden müssen. Es sollte nicht
mehr jede/r schreiben, der/die einen didaktischen Einfall hat. Eine
verantwortete Darstellung sollte auf dem Stand der gegenwärtigen
wissenschaftlichen Diskussion durchgearbeitet sein. Damit soll einem
gewissen, allerdings weit verbreiteten Dilettantismus gewehrt werden,
der die Disziplin leicht um ihr Renommee bringen kann.
Schließlich lädt das Lexikon auch ein zum Stöbern und Schmökern, um
Entdeckungen zu machen. Oder wussten Sie, dass einst ein Kollege
einsitzen musste, weil er unerlaubter Weise Religionsunterricht erteilt
hatte?
4 Die zukünftige Entwicklung des Lexikons
Dem
technologischen Fortschritt im Bereich der Kommunikationsmedien Rechnung
tragend, erscheint dieses Lexikon zugleich als CD-Rom. Und nicht nur
das: Es ist geplant, es fortlaufend, d.h. im Abstand von zwei Jahren zu
aktualisieren, indem weitere Artikel als Updates aus dem Internet
herunter geladen werden können. Alle Leserinnen und Leser sind herzlich
eingeladen, die Herausgeber darin zu unterstützen und mitzuteilen,
welche Stichworte sie vermisst haben, wo sie Ergänzungen wünschen etc.
Für Vorschläge jeglicher Art sind wir dankbar.
Dieses Verfahren
hat sich auch bei der bisherigen Entwicklung des Lexikons bereits
bewährt. Viele Autor/innen sind der Bitte der Herausgeber nachgekommen
und haben Vorschläge für fehlende Schlagworte gemacht, die wir in der
Regel auch aufgenommen haben. Das hat in der Folge allerdings auch dazu
geführt, dass aus dem einstmals einbändig geplanten ein zweibändiges
Werk geworden ist - eine Entwicklung, die anfangs nicht absehbar war und
sich erst in der redaktionellen Endphase abgezeichnet hat.
5
Religionspädagogische Lexika (Bibliografie)
Folgende
religionspädagogische Lexika liegen bereits vor:
Katechetisches
Wörterbuch, hg. von Leopold Lentner, Freiburg/Basel/Wien 1961.
Praktisches Wörterbuch der Religionspädagogik und Katechetik, hg. von
Edgar Josef Korherr, Freiburg 1973, 2 1978.
A Dictionary of
Religious Education, ed. by John M. Sutcliffe, London 1984.
Dizionario di Catechetica, hg. von Joseph Gevaert, Turin 1986.
Von der Idee bis zur Realisierung des Lexikons sind inzwischen gute zwei
Jahre vergangen. Das war nur möglich durch die außerordentlich hohe
Bereitschaft vieler zur Mitarbeit. Eine ganze Reihe von Autor/innen
haben noch unter Zeitdruck Artikel übernommen, manche buchstäblich kurz
vor Redaktionsschluss. Als allzeit bereiter "Nothelfer" hat sich dabei
Peter Biehl (Göttingen) erwiesen. Sein in einem langen Gelehrtenleben
zusammengetragener Fundus an anspruchsvollster Religionspädagogik konnte
immer wieder geöffnet werde. Unser besonderer Dank gilt auch einem
Jüngeren, dem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Jörg Ennuschat, der
bereitwillig alle Artikel zur Rechtssituation religiöser Erziehung
geschrieben und die Herausgeber damit erheblich entlastet hat.
Allen Mitarbeiter/innen sei herzlich gedankt. Dank muss aber auch jenen
gesagt werden, die das ganze Unternehmen von Anfang an begleitet haben
Das sind in Duisburg zunächst Holger Appelt (Studentische Hilfskraft),
der ein Dienstzimmer in eine Medienzentrale verwandelt hat, durch die
alle Möglichkeiten moderner Kommunikation nutzbar wurden. H. Appelt
zeichnet auch für das Layout des Informationsheftes für die Autor/innen
verantwortlich. Weiter muss Martina Planken (Studentische Hilfskraft)
genannt werden, die in der Organisation und in der Herstellung
druckreifer Texte eine unentbehrliche Hilfe war. In Paderborn gilt der
Dank Birgitta Deventhal und Britta Ricken (Studentische Hilfskräfte),
die ihnen vorgelegten Artikel nicht nur bearbeitet, sondern als deren
erste Leserinnen auch kritisch-konstruktiv kommentiert haben.
Schließlich gilt unser Dank dem Lektor des Verlages, Herrn Ekkehard
Starke, der für das Unternehmen nicht nur seine Lexikonerfahrungen beim
Evangelischen Kirchenlexikon zur Verfügung stellte, sondern es auch mit
großem Engagement und viel Geduld betreut hat. Er ist darüber hinaus
auch als Verfasser von Artikeln tätig geworden.
Norbert Mette
Folkert Rickers August 2000 |
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