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Liederbuch Unsere
Kernlieder Die Kernlieder-Liste
Bernhard Leube,
Pfarrer im Amt für Kirchenmusik der Evangelischen Landeskirche in
Württemberg
Die Kirchenleitungen der badischen und württembergischen Landeskirche
haben sich im Jahr 2006 auf eine Kernlieder-Liste mit 33 Liedern
verständigt. Der Anstoß dazu kam aus dem Stuttgarter
Pädagogisch-Theologischen Zentrum, nachdem bei der Erarbeitung der neuen
Lehrpläne für das Fach Evangelische Religion in den
baden-württembergischen Grundschulen Lieder nicht wirklich eine Rolle
gespielt haben. Daraus entwickelte sich eine konzertierte Aktion
mehrerer Arbeitsbereiche: am Tisch der Arbeitsgruppe, die den Vorschlag
für die KernliederListe erarbeitet hat, saßen prominente Vertreter und
Vertreterinnen der Tageseinrichtungen für Kinder, aus
Kindergottesdienst, aus Konfirmandenarbeit und Religionsunterricht, aus
der Jugendarbeit, der Frauenarbeit, aus der Kirchenmusiker- und der
Pfarrerschaft. Der konkreten Liedauswahl ging die Verständigung voraus,
die Liste auf 25 Lieder zu begrenzen und bei der Auswahl folgende
Gesichtspunkte im Blick zu haben: der Tageslauf, das Kirchenjahr, die
Kasualien, der Sonntagsgottesdienst, die Verbindung über die
Generationengrenzen hinweg, Gemeinschaft, emotionale Ansprache, die
Ökumene, protestantisches Profil, die Mischung aus Traditionellem und
Neuem, sowie sprachliche und musikalische Qualität.
Die badische und die württembergische Kirchenleitung haben den
25er-Vorschlag der Arbeitsgruppe beraten, ihn auf 33 Gesänge erweitert
und verabschiedet. Die Publikation wurde begleitet mit der dringenden
Bitte, beim Singen in allen Bereichen die Bildung eines gemeinsamen
Repertoires im Blick zu haben und sich dabei an der Kernlieder-Liste zu
orientieren.
Es handelt sich um folgende Lieder bzw. Kanons, geordnet nach der
Systematik des EG:
Kirchenjahr
Advent 1 Macht hoch die Tür ö
Weihnachten 24 Vom Himmel hoch, da komm ich her (ö)
44 O du fröhliche ö
Jahreswende 65 Von guten Mächten
Passion 85 O Haupt voll Blut und Wunden (ö)
98 Korn, das in die Erde ö
Ostern 99 Christ ist erstanden (ö)
103 Gelobt sei Gott im höchsten Thron ö
Himmelfahrt 123 Jesus Christus herrscht als König (ö)
Pfingsten 136 O komm, du Geist der Wahrheit (ö)
Gottesdienst
Eingang und Ausgang 170 Komm, Herr, segne uns
175 Ausgang und Eingang (Kanon) ö
Taufe und Konfirmation 200 Ich bin getauft auf deinen Namen
Abendmahl 225 Komm, sag es allen weiter (ö)
Biblische Gesänge
Psalmen und Lobgesänge 272 Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen
Glaube – Liebe – Hoffnung
Loben und Danken 316ö/317 Lobe den Herren, den mächtigen König
321 Nun danket alle Gott ö
324 Ich singe dir mit Herz und Mund (ö)
331 Großer Gott, wir loben dich ö
Angst und Vertrauen 361 Befiehl du deine Wege ö
362 Ein feste Burg ist unser Gott
Umkehr und Nachfolge 391 Jesu, geh voran ö
Geborgen in Gottes Liebe 408 Meinem Gott gehört die Welt ö
409 Gott liebt diese Welt ö
Frieden und Gerechtigkeit 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben ö
656W/665B Wir haben Gottes Spuren festgestellt
Morgen 440 All Morgen ist ganz frisch und neu ö
447 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren (ö)
456 Vom Aufgang der Sonne (Kanon) ö
Abend 482 Der Mond ist aufgegangen ö
483 Herr, bleibe bei uns (Kanon) ö
Natur und Jahreszeiten 503 Geh aus, mein Herz, und suche Freud (ö)
511 Weißt du, wie viel Sternlein stehen ö
Eine so knappe, überschaubare und vor allem gemeinsame Repertoire-Liste
so unterschiedlicher Bereiche, die gerade im Singen oft kaum mehr
Berührung miteinander haben, konnte nur zustande kommen, indem die
Vertreter/innen aller Arbeitsbereiche, die an der Erarbeitung der Liste
beteiligt waren, auf Lieder verzichtet haben, die ihnen wesentlich sind.
Unter den ausgewählten Liedern sind die Lied-Epochen (vgl. Liederkunde
im EG) unterschiedlich gewichtet: ein Lied (EG 99) steht für „Spätantike
und Mittelalter“, vier Lieder, (EG 24; 40; 103; 362) für „Reformation,
Spätreformation und Frühorthodoxie“, darunter zwei Lutherlieder.
Sechs Lieder gehören zu „Konfessionalismus und Barock-Kultur“ (EG 85;
321; 324; 361; 447; 503). Ein Lied kommt unter „Reform-Orthodoxie und
Frühpietismus“ (EG 316/317), vier bei „Pietismus und Orthodoxie“ (EG 1;
123; 200; 391). Zwei Lieder stehen gehören zu „Aufklärung und
Bibelfömmigkeit“ (EG 331; 482), drei zu „Erweckung und Restauration“ (EG
44; 136; 511). Mit vier Liedern ist „Singbewegung und Kirchenkampf“
vertreten (EG 65/541; 408; 456; 483), am stärksten schlussendlich mit
acht Liedern „Neues Lied und Ökumene“ (EG 98; 170; 175; 225; 272; 409;
432; 656W/665B).
Bonhoeffer, Claudius, Henkys, Hey, Neander,
Rambach, Rinckardt, Spitta,
Trautwein, Weiße, Zinzendorf und Zwick stehen mit 1 Lied unter den
Kernliedern. Zu den ein Mal erscheinenden Komponisten zählen etwa
Baltruweit, Lahusen, Vulpius, Johann Walter. Unter den Dichtern zwei Mal
vertreten ist Luther, unter den Komponisten Paul Ernst Ruppel. Crüger
finden wir mir drei Melodien, und Paul Gerhardt mit fünf Texten.
Unter den 33 Gesängen sind 26 ö-Lieder, neun davon mit eingeklammertem
ö. Hier zeigen sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit
ökumenische Gemeinsamkeiten nicht nur an den Rändern, sondern im
Kernbereich des Singens.
1 Mit einer Ausnahme („Wir haben Gottes Spuren festgestellt“) stehen
alle Lieder im Stammteil des EG.
Noch in diesem Jahr werden die 33 Kernlieder in einem eigens gedruckten
Heft erhältlich sein.
2 Der Kinderchor der Tübinger Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen
hat Anfang Oktober alle Gesänge für eine CD aufgenommen.
1 Im neuen katholischen Kinder- und Familiengesangbuch „Dir sing ich
mein Lied“, hg. vom Amt für Kirchenmusik der Diözese
Rottenburg-Stuttgart, erarbeitet von Walter Hirt und Martin Schmeisser,
Schwabenverlag, Ostfildern 2006 finden sich 23 Lieder der
Kernliederliste!
2 Siegfried Bauer (Hg), Unsere Kernlieder, Strube Edition 6427, München
2007
Die Liturgische Konferenz hat nun im Oktober 2007 auf Antrag ihres
Musikausschusses beschlossen, den Landeskirchen der EKD zu empfehlen,
die badisch-württembergische Kernliederliste zu übernehmen und in ihrem
Bereich für deren Verbreitung zu sorgen. „Repertoirebildung“ und
„Gemeinsamkeit“ sind die konzeptionellen Grundbegriffe. Die Kernlieder
werden nicht als Erlass herausgegeben, der die Singarbeiter und –arbeiterinnen
formal in die Pflicht nähme. Sinnstiftung und Orientierung lassen sich
im Zeitalter der Globalisierung nicht dekretieren, die Rezeption, sei’s
individuell, sei es in Gruppen und Gemeinden,
ist nicht hierarchisch steuerbar. Verbindlichkeit kommt also nicht
zustande durch das Oktroy
einer Behörde, sondern verbindlich wird, was das verbindet, was
auseinanderstrebt. Die Kirchenleitungen
geben die Kernliederliste deshalb hinein in einen stetigen
„Aushandlungsprozess“ darüber, was uns verbinden soll.
Im Blick sind dabei die Kindergärten, der Religions- und
Konfirmandenunterricht, der Kindergottesdienst,
die Jugendarbeit, Kinder-, Jugend- und Erwachsenenchöre, natürlich die
Sonntagsgottesdienste, aber auch die Kasualien verschiedenster Art.
Die Frage nach einem Grundrepertoire von Liedern liegt in der Luft. Auch
andernorts lässt sich das Interesse an kulturellen Grundausstattungen
erkennen: Marcel Reich-Ranicki veröffentlichte seinen Kanon der
Deutschen Literatur, die Süddeutsche Zeitung veranstaltete eine
Herausgabe der „50 besten Filme“ auf DVD. „Das Beste der Pop-Musik der
letzten 50 Jahre“ wird auf CDs zusammengestellt. Eine
Arbeitsgemeinschaft von württembergischen Kantorinnen und Kantoren hat
aus der Kinderchorarbeit heraus eine Liste von 15 Liedern erstellt und
inzwischen „eine Ideensammlung zu Liedern des Evangelischen Gesangbuchs
für Kindergarten
und Kinderkirche“ herausgegeben unter dem Titel „Zum Singen bringen“,
hg. von Lothar Friedrich, München 2006.
In der EKD-Denkschrift „Kirche der Freiheit“ wird unter dem 1.
„Leuchtfeuer“ die Verständigung über einen Kernbestand an „zentralen
Texten, Liedern und Gesten“ als „wichtiges Element evangelischer
Identität“ angemahnt.
3 Im III. Kapitel „Perspektiven der evangelischen Kirche im Jahre 2030“,
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