Orientierungshilfe für den 2. Ökumenischen Kirchentag München 2010
Der 2. Ökumenische Kirchentag wird ein Ort sein, an dem wir gemeinsam den christlichen Glauben bekennen und Zeugnis von unserer Hoffnung geben. Wir laden zum 2. Ökumenischen Kirchentag ein, um einander zu begegnen, zu beten und zusammen Gottesdienst zu feiern. Der 2. Ökumenische Kirchentag soll Gelegenheit geben, das Gespräch und die Auseinandersetzung über die Grundlagen des Christseins zu suchen. Wir sprechen diese Einladung in einer Zeit aus, die von einer Vertrauenskrise geprägt ist - wirtschaftlich, politisch und sozial, bei uns und in der Welt. Umso dringlicher müssen wir in München fragen, wie christliches Leben in der Welt und für die Welt gelingen kann. Aus gemeinsamer Verantwortung suchen wir nach Formen gemeinsamen Handelns. Dies tun wir auf der Grundlage unseres Leitwortes: "Damit ihr Hoffnung habt".
Wir wissen, dass wir dieses Zeugnis nur dann glaubwürdig geben können, wenn wir auf der Suche nach der sichtbaren Einheit aller Christinnen und Christen bleiben. Der erste Ökumenische Kirchentag in Berlin 2003 war hierzu ein wichtiger Schritt, nun gehen wir den Weg weiter. Weil das Gemeinsame stärker wiegt als das Trennende, verstehen wir den 2. Ökumenischen Kirchentag als Baustelle der Ökumene. Wir wissen uns verbunden mit der weltweiten ökumenischen Bewegung. Die christliche Einheit ist Gottes Gabe und unsere Aufgabe.
I. Christ sein heißt Ökumene vorantreiben
Die ökumenische Landschaft in
Deutschland hat sich seit 2003 verändert.
Vieles, was in Berlin geschehen ist, hat zu neuen
Entdeckungen der ökumenischen Vielfalt geführt, zu
gegenseitiger Annäherung beigetragen und Abgrenzungen
überwunden. Anderes hat Spannungen hervorgerufen und
gezeigt, dass es des offenen theologischen Gespräches
weiterhin bedarf. Doch der Weg auf die sichtbare Einheit der
Kirche hin ist unumkehrbar eingeschlagen.
So soll auch der 2. Ökumenische Kirchentag einen Raum schaffen, in dem sich Christinnen und Christen aus den vielfältigen Traditionen der Ökumene begegnen und die Kenntnis voneinander vertiefen können. Die Charta Oecumenica, auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag von den Kirchen katholischer, evangelischer, freikirchlicher, orthodoxer und anglikanischer Tradition feierlich unterzeichnet, bleibt dabei Grundlage und Verpflichtung. Was bereits an gemeinsamen Gottesdiensten und liturgischen Feiern möglich ist, soll auch in München zum Ausdruck kommen, ohne dabei die ökumenischen Partner zu vereinnahmen oder auszugrenzen.
Alles das gemeinsam zu tun, was gemeinsam getan werden kann, soll unseren entschiedenen Willen zur Ökumene erfahrbar machen. Das Leben vor Gott, der Glaube an Jesus Christus und das Vertrauen auf den Heiligen Geist sind die Grundlagen des 2. Ökumenischen Kirchentages. Die verbindende Kraft der Taufe ermutigt uns.
Wir halten an der Verpflichtung fest, die Gemeinschaft im Glauben so zu stärken, dass eines Tages das Ziel erreicht ist: die Gemeinschaft in Abendmahl und Eucharistie.
II. Christ sein heißt die Vielfalt achten
Der 2. Ökumenische Kirchentag fragt,
was Christsein in der Welt und für die Welt heute bedeutet.
Christinnen und Christen stehen vor neuen
Herausforderungen: Die deutsche Gesellschaft ist religiös
pluraler geworden. Prozesse der Säkularisierung und ein
neues Interesse an den Religionen überlagern sich. Zwei
Drittel der Bevölkerung verstehen sich als Christen, doch
verflüchtigen sich Selbstverständlichkeiten einer christlich
geprägten Gesellschaft.
Wir Christinnen und Christen sind aufgefordert, uns den Herausforderungen des Pluralismus zu stellen und seine Chancen zu nutzen. Die wachsende religiöse Vielfalt erlaubt, Profil durch die Klarheit im Glauben und durch Wahrhaftigkeit in unserem Handeln zu gewinnen. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag wollen wir deshalb nach christlicher Identität unter Bedingungen religiöser, weltanschaulicher und kultureller Vielfalt fragen.
Zugleich wollen wir den Dialog mit Nichtchristen praktizieren, um gemeinsam mit ihnen unsere Gesellschaft aktiv zu gestalten.
Wichtige Voraussetzung ist die vorbehaltlose Begegnung und das offene Gespräch mit anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen. Wir wollen miteinander reden, lernen, streiten - über Gottesbilder und Glaubensvollzüge, über unsere Berufung in der Welt und über die Grundlagen des Zusammenlebens in Freiheit, Mitmenschlichkeit und Solidarität. Je vielfältiger unsere Gesellschaft ist, umso dringlicher wird es, dass aller Religionen und Weltanschauungen zu den kulturellen Voraussetzungen beitragen, auf denen die freiheitliche Demokratie beruht. Einen solchen Beitrag will der 2. Ökumenische Kirchentag leisten.
III. Christ sein heißt Verantwortung übernehmen
Die moderne Gesellschaft braucht Maßstäbe, die Orientierung für das individuelle wie für das kollektive Handeln bieten. In die Auseinandersetzung um solche Maßstäbe gilt es, das christliche Erbe einzubringen. Um dies überzeugend und glaubwürdig tun zu können, wollen wir auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag nach dem suchen, was uns über Konfessionsgrenzen hinweg in sozialen, kulturellen und politischen Fragen verbindet. In diesem Sinn soll der Ökumenische Kirchentag in besonderer Weise auch ein Ort für junge Menschen sein, die christlichem Handeln gerade im Dialog der Generationen neue und eigene Impulse geben.
Aus der gemeinsamen Verpflichtung, Zeugnis von der bedingungslosen Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes und von der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen zu geben, setzen wir uns ein für die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Wo wir sie uneingeschränkt achten und schützen, wird freies und selbst verantwortetes Handeln möglich. Armut und Benachteiligung begrenzen die persönliche Entfaltung und die Teilhabe am sozialen Leben in besonderer Weise. Deshalb wird der Ruf nach Gerechtigkeit - regional, national wie global - ein Schwerpunkt des 2. Ökumenischen Kirchentages sein.
In Teilen unserer Gesellschaft herrscht Unfrieden, in vielen Regionen unserer Welt ist Krieg. In der Nachfolge des Friedensstifters Jesus Christus treten wir für jene ein, die unter Gewalt leiden. Wir engagieren uns für Frieden, für Menschenrechte und Gerechtigkeit in der globalen Welt. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag bekennen wir uns öffentlich zu dieser, die ganze Christenheit einenden Verpflichtung.
Als Christinnen und Christen sind wir uns darin einig, dass uns unsere Erde anvertraut wurde. Wir dürfen, ja sollen ihre Schätze verantwortlich nutzen. Unser Lebensstil und Wirtschaften gefährden jedoch die Natur und die Teilhabe vieler Menschen unserer Zeit und zukünftiger Generationen.
Deshalb soll der 2. Ökumenische Kirchentag ein deutliches Zeichen für unsere Sorge um den Erhalt der Schöpfung setzen.
Der gemeinsame Glaube bestärkt uns darin, die Ökumene voranzubringen, die Vielfalt zu achten und Verantwortung zu übernehmen. Wir lassen uns dabei leiten, von der Hoffnung, die uns trägt und treibt.
Die hier formulierten Anliegen und Aufgaben werden uns in den kommenden Monaten der Vorbereitung des 2. Ökumenischen Kirchentages Richtschnur und Maßstab sein. Ebenso bitten wir auch alle Vorbereitungsgremien und all jenen, die sich mit uns auf den Weg nach München begeben, sich hieran zu orientieren.
Beschlossen vom Gemeinsamen Präsidium des 2. Ökumenischen Kirchentages München 2010
Neuendettelsau, 25. Oktober 2008
Pressesprecher des 2. Ökumenischen Kirchentages:
Theodor Bolzenius, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Rüdiger Runge, Deutscher Evangelischer Kirchentag