Bundeswehr-Soldat Frank Beha steht mit seinem Sturmgewehr im Camp
Warehouse in Afghanistan.
(Foto: dpa)
Kloster Beuron
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Sonntag, 16. August 2009, n-tv
Mönchskutte statt Sturmgewehr "Ab morgen Mönch"
Es fällt nicht ganz leicht, sich diesen
Mönch mit einem Sturmgewehr in der Hand vorzustellen. Dabei war
Bruder Longinus noch vor ein paar Jahren Stabsgefreiter der
Bundeswehr in Afghanistan. Ein gehorsamer Soldat, der im Ernstfall
keine Scheu gehabt hätte, zu schießen und zu töten, wie er selbst
sagt. Doch das Leid der Menschen und seine eigene Angst vor dem
nächsten Selbstmordattentäter machten ihm zu schaffen. "Erst im
Kloster habe ich inneren Frieden gefunden", sagt Bruder Longinus. In
seinem Buch "Ab morgen Mönch" erzählt der heute 29-Jährige seinen
Weg vom Soldaten zum Ordensbruder.
Durch die Ruhe im Kloster Beuron im
Oberen Donautal habe er zuletzt viel über sein Leben nachgedacht.
"Früher konnte ich mit Gott absolut nichts anfangen", sagt Longinus,
der in Villingen-Schwenningen als Frank Beha aufgewachsen ist. Da
brauste er mit schnellen Autos und Motorrädern durch den Schwarzwald
und träumte von einer Karriere bei der Luftwaffe. Getrieben von
Abenteuerlust und der Hoffnung auf schnelles Geld wurde er
Zeitsoldat und setze alle Hebel in Bewegung, um möglichst schnell in
einen Auslandseinsatz geschickt zu werden. "Der Job hat mir einfach
Spaß gemacht. So ein Einsatz schweißt einen mit den Kameraden
unglaublich eng zusammen", erzählt Bruder Longinus.
Doch die Abenteuerlust sei ihm bei
seinem ersten Einsatz in Mazedonien schnell vergangen. Zwar wurde
bei dem Stabilisierungseinsatz nicht geschossen - trotzdem merkt
Longinus zum ersten Mal, was es heißt, Angst zu haben. "Die
Minengefahr war allgegenwärtig. Jeder Schritt hätte der letzte sein
können", erzählt er.
Ein Gewaltmarsch und ein verrückter
Gedanke
Die Eindrücke aus dem Kriegsgebiet
bleiben nicht ohne Wirkung. Zurück in Deutschland sucht er immer
häufiger das Gespräch mit dem Militärpfarrer, beschäftigt sich
intensiv mit dem Christentum. Und dann kam dieser Gewaltmarsch im
Sommer 2003. Mit kompletter Ausrüstung im Kampfanzug wurde der
damals 24-jährige Zeitsoldat in der Nähe von Singen bei drückender
Hitze auf einen 30 Kilometer langen Übungsmarsch geschickt. Beha war
sportlich, wollte die Strecke in weniger als drei Stunden schaffen.
Aber nach der Hälfte des Weges sei einfach Schluss gewesen, erzählt
Bruder Longinus. "Die Wasserflasche war leer, der Körper ausgepowert
und meiner angestrebten Zeit lief ich weit hinterher."
Völlig matt habe er sich dann auf eine
Bank gesetzt. "Und während ich da saß, schoss mir dieser verrückte
Gedanke durch den Kopf: Wenn ich es noch schaffe, diesen Marsch in
weniger als drei Stunden hinter mich zu bringen, gehe ich ins
Kloster. Und dann stand ich auf, lief los - und schaffte das Ziel
unter drei Stunden." Keine Spur mehr von Durst und Müdigkeit. "Als
wäre da jemand gewesen, der mich trug", erinnert sich der Mönch.
Wieder ein Suchender
Sein Entschluss war gefasst. Doch der
Vertrag mit der Bundeswehr lief noch, und die schickte ihn noch
einmal ins Ausland - diesmal nach Afghanistan. Dieser Einsatz sei
ihm viel schwerer gefallen als der erste. "Christ sein und Soldat
sein, das hat immer Spannungen in sich", sagt Longinus. Er achtete
mehr auf die Menschen, auf ihre Lebenssituation. "Ich habe gesehen,
wie die Afghanen Kraft aus ihrem Glauben schöpfen, wie sie durch
ihren Glauben mit der Armut und dem Elend fertig werden. Das hat
mich fasziniert. Die Leute waren trotz ihrer Armut glücklich."
Frank Beha fühlte sich in seinem
Entschluss bestärkt. Im November 2005 zog er ins Kloster nach
Beuron. Bei der Aufnahmezeremonie trug er bewusst seine
Bundeswehr-Orden - legte sie ab und tauschte sie gegen das Habit,
die Ordenstracht. Damals bekam er auch seinen Ordensnamen: Longinus
war ein römischer Soldat, der der biblischen Überlieferung nach den
gekreuzigten Jesus als Gottes Sohn erkannte. Er habe seine
Verbundenheit zum Militär ausdrücken wollen, sagt der 29-Jährige.
"Als Mönch sehe ich mich als Kämpfer für den Glauben." Bloß den
Dienstgrad muss er sich in der Kloster-Hierarchie erst noch
verdienen. "Jetzt bin ich wieder ein Wehrpflichtiger, ein Suchender.
Ich stehe ganz am Anfang."
Marc Herwig, dpa |