Die Geschichte vom Mohr und den Siebecks
Es war einmal ein Mann, der betrieb eine Buchhandlung in Frankfurt am Main. Und er betrieb sie so gut, dass es den Neugründern der Heidelberger Universität nicht verborgen bleiben konnte. So luden sie ihn denn ein, nach dorthin überzusiedeln, auf dass sie einen tüchtigen Buchhändler dort hätten. Er folgte dieser Einladung, zuerst mit einer Filiale, später mit dem Hauptsitz. Der Buchhändler hieß Jacob Christian Benjamin Mohr, und er firmierte seit 1801 in Frankfurt und ab 1804 in Heidelberg.
Weil die Aufgaben in Heidelberg so vielfältig waren, nahm er den umtriebigen Theologen Zimmer als Partner auf und verlegte unter dem Namen Mohr und Zimmer so bekannte Schriften der Heidelberger Romantiker wie Des Knaben Wunderhorn, dessen Titelbilder, ein Füllhorn oder ein kleiner Postillion, sein Horn keck über dem Kopfe schwenkend, auch später immer wieder als Zeichen des Verlages auftauchten. Alsbald zog es Zimmern aber wieder in die Ferne, und so konzentrierte sich Mohr auf den akademischen Bereich, verlegte Abhandlungen und eine der ersten wissenschaftlichen Zeitschriften, das Archiv für die civilistische Praxis.
Mit solchem Tun wurde Mohr weit über die Grenzen Heidelbergs bekannt, und als er starb, hinterließ er ein bedeutendes Buchgeschäft, bestehend aus den Betriebsbereichen Buchhandlung, Verlag und Druckerei. Seine Söhne führten das zunächst mit verteilten Rollen weiter, verkauften aber nach einigen Jahren die Buchhandlung an den Heidelberger Buchhändler Koester und im Jahr 1878 den Verlag an den aus Tübingen stammenden Verlagsbuchhändler Paul Siebeck. Der ging damit unter Mitnahme einiger Titel aus seinem väterlichen Verlag, der H. Laupp’schen Buchhandlung, nach Freiburg im Breisgau, wo die damaligen ›neuen Reichsländer‹ Elsass und Lothringen als neuer Markt vor der Tür lagen. Seine Firma nannte er Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Inhaber Paul Siebeck, im Stil der Zeit verkürzte er das alsbald auf J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Siebeck wurde nun über die Grenzen Freiburgs hinaus bekannt, und in Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm sein Landesherr den Orden vom Zähringer Löwen. Den erkor er sich prompt zum Wappentier, das eine große Fahne mit seinem Motto artibus ingenuis schwang. Den edlen Künsten, sprich: den Wissenschaften, wollte er mit löwenhaftem Mut zu Diensten sein. Das gereichte ihm nicht zum Schaden, und so tat er es auch weiter, als er im Jahre 1899 den Verlag wieder in seine Heimatstadt Tübingen verlegte und mit dem väterlichen Betrieb vereinte.
Das Motto und der Name blieben unverändert, als sein Sohn und dessen Sohn und dessen Sohn den Verlag übernahmen. Nur der Löwe wurde im Jahr 1927 etwas kantiger aus Holz geschnitzt, und weil der so kräftig gelang, verdrängte er den Namen von den Buchdeckeln.
Es kam aber eine Zeit, in der die Zeichen sich Piktogramme nannten und die Welt überfluteten. Und den nicht deutsch schreibenden Lesern und Autoren wurde es immer schwerer, den Verlag mit dem komplizierten Namen richtig zu zitieren. So kam es, dass der Urenkel im 195. Jahr den Namen noch einmal für den täglichen Gebrauch verkürzte. Weder Mohr noch Siebeck durften fehlen, nur die Vornamen und Satzzeichen waren entbehrlich. So kam es, dass Mohr Siebeck auf die Bücher zu stehen kam; und wie die beiden Namen sich bewähret haben, so stehen sie noch heute.
Georg Siebeck
[Geschrieben für den Mohr Kurier 1996/2 im Mai 1996.]